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OLG Düsseldorf zur Anfechtung einer Ausschlagung nach Fehleinschätzung über Schulden

Wer eine Willenserklärung abgibt und dabei einem beachtlichen Irrtum unterliegt, kann die Erklärung anfechten. Die Willenserklärung ist dann als von Anfang an nichtig anzusehen. Dies gilt auch für die Ausschlagung einer Erbschaft.

Frei nach dem Motto, wer nicht denkt, kann auch nicht irren, hat das OLG Düsseldorf mit Beschl. v. 31.01.11, I-3 Wx 21/11 entschieden:

 

Leitsatz des OLG Düsseldorf:

„Schlägt ein Erbe auf der Grundlage ungenauer zeitferner Informationen die Erbschaft aus, weil er „befürchtet, dass da nur Schulden sind“, so kann er, wenn sich später die Werthaltigkeit des Nachlasses herausstellt , seine Ausschlagungserklärung nicht wegen Irrtums anfechten.“

 

Zwar könnten „objektiv erhebliche und ursächliche Fehlvorstellungen über verkehrswesentliche Eigenschaften des Nachlasses … die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft nach § 119 Abs. 2 BGB“ begründen; die „Überschuldung des Nachlasses ist eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses (BayObLG FamRZ 1997, 1174; …).
Fehlvorstellungen darüber, dass die Verbindlichkeiten den Wert des Nachlasses übersteigen (BayOblG FamRZ 1999, 1172; OLG Hamm NRW-RR 2009, 1664), sind aber nur relevant, wenn sie auf unrichtigen Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses beruhen (BGH NJW 1989, 2885; BayObLG NJW 2003, 216; Senat, NJW-RR 2009, 12; ..).

Da die Beschwerdeführerin im entschiedenen Fall aber nicht über die Zusammensetzung des Nachlasses irrte, sondern lediglich befürchtet hatte, „dass da nur Schulden sind“, sie also einer Fehleinschätzung unterlag, konnte sie die Ausschlagung nicht mehr wirksam anfechten.

 

Nachtrag v. 12.02.19:

In einer weiteren Entscheidung vom 19.12.18 hat das OLG Düsseldorf (I-3 Wx 140/18) diese Linie bestätigt und ausgeführt:

„Beruht die Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf bewusst ungesicherter also spekulativer Grundlage (hier: Annahme der Überschuldung des Erblassers aufgrund eines vor Jahren vorhanden gewesenen Guthabens in Verbindung mit der Rentensituation und der äußeren Lebensführung bei vermutet hohen Wohnungsauflösungskosten), so berechtigt eine später sich herausstellende Werthaltigkeit des Erbes mangels eines rechtlich relevanten Irrtums (bloßer Motivirrtum) den Ausschlagenden nicht zur Anfechtung seiner Erklärung.“

Ziemlich deutlich führt das OLG aus:

Es ist „nahezu einhellig anerkannt, dass die Überschuldung der Erbschaft eine verkehrswesentliche Eigenschaft darstellt, die zur Anfechtung berechtigen kann, indes nur, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung auf falschen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, also bezüglich des Bestandes an Aktiva oder Passiva, beruht.“ Der Senat hält an seiner schon zuvor geäu8erten Auffassung (Beschlüsse vom 02.08.16, I-3 Wx 52/15, und 17.10.16, I-3 Wx 155/15) fest, „dass nicht zur Anfechtung berechtigt ist, wer ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses einer Fehlvorstellung über dessen Größe unterlag; mit anderen Worten sich derjenige nicht auf einen Anfechtungsgrund berufen kann, der nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt war, die Erbschaft wolle er annehmen oder ausschlagen, sondern seine Entscheidung auf spekulativer – bewusst ungesicherter – Grundlage getroffen hatte. (…)
Wer bewusst bestimmte Umstände als lediglich möglich betrachtet und dieses Vorstellungsbild handlungsleitend sein lässt, der verhält sich aufgrund Hoffnungen oder Befürchtungen, die das Motiv seines Handelns bilden. Ein bloßer Irrtum im Motiv berechtigt jedoch weder im allgemeinen, noch speziell im Zusammenhang der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft zur Anfechtung.

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