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Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 19.07.23 – IV ZB 31/22, entschieden, dass ein Pflichtteilsberechtigter den im Rahmen des § 2314 BGB vom Erben beauftragten Notar nicht zur Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses anhalten kann. Die Beschwerde des § 15 Abs. 2 BNotO steht ausschließlich dem Erben zu.

Amtlicher Leitsatz des BGH, IV ZB 31/22:

Der Pflichtteilsberechtigte kann nicht im Wege der Beschwerde gem. § 15 Abs. 2 BNotO von dem vom Erben beauftragten Notar die Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB verlangen.

Sachverhalt (verkürzt):

Der Pflichtteilsberechtigte verlangte von dem Erben Auskunft über den Nachlass durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB. Der Erbe beauftragte einen Notar, der den Auftrag annahm, dann aber untätig blieb. Nach mehrfacher vergeblicher Aufforderung an den Notar, das Verzeichnis zu erstellen, erhob der Pflichtteilsberechtigte schließlich Notarbeschwerde gem. § 15 Abs. 2 BNotO gegen dessen Untätigkeit.
Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, die gleichwohl zugelassene Rechtsbeschwerde hat der BGH zurückgewiesen.

Die wesentlichen Entscheidungsgründe:

Dem Pflichtteilsberechtigten fehle es bereits an einer materiellen Beschwer i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 3 BNotO i.V.m. § 59 Abs. 1 FamFG.
Voraussetzung hierfür sei ein unmittelbarer, nachteiliger Eingriff in ein dem Beschwerdeführer zustehendes subjektives Recht. Die angefochtene Entscheidung müsse ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren. Nicht ausreichend seien lediglich wirtschaftliche, rechtliche oder sonstige berechtigte Interessen.
Ein Recht des Pflichtteilsberechtigten, das der Notar negativ durch das Unterlassen der Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses beeinflussen könnte, stehe diesem nicht zu. Der durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erfüllende Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben gem. § 2314 Abs. 1 S. 1, S. 3 BGB werde durch eine Verweigerung der Notartätigkeit ebenso wenig beeinträchtigt wie sein Pflichtteilsanspruch aus § 2303 BGB im o.g. Sinn. Der Pflichtteilsberechtigte könne seinen Anspruch uneingeschränkt gegenüber dem Erben geltend machen und ggf. im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen.

Aus dem Auskunftsanspruch gegen den Erben folge kein unmittelbar gegen den von diesem mit der Verzeichnisaufnahme beauftragten Notar gerichteter Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Errichtung des notariellen Nachlassverzeichnisses iSv § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO. Schuldner des notariellen Verzeichnisses, das mit dem privaten Verzeichnis materiell-rechtlich und inhaltlich wesensgleich sei, sei der Erbe (Senat v. 31.10.2018 – IV ZR 313/17, ZEV 2019, 85 mAnm Sarres, Rn. 21 f.). Er allein entscheide, ob er ein vom Notar erstelltes Nachlassverzeichnis dem Pflichtteilsberechtigten vorlege. Die Erstellung und Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses betreffe lediglich die für die Erfüllung der Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB vorgegebene Form der Auskunftserteilung (Senat v. 1.12.2021 – IV ZR 189/20, BGHZ 232, 77, ZEV 2022, 84 mAnm Lange, Rn. 17, 21 mwN).
Daher sei nur der Erbe Auftraggeber des notariellen Nachlassverzeichnisses; der Pflichtteilsberechtigte selbst sei nicht antragsbefugt und nicht berechtigt, vom Notar die Aufnahme des Verzeichnisses zu verlangen.
Der Pflichtteilsberechtigte kann sich zur Durchsetzung seines Anspruchs auf Auskunftserteilung somit auch im Laufe der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nur an den Erben halten.

Die umstrittene Frage, ob der Pflichtteilsberechtigte den Notar gem. § 19 BNotO auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn dieser bei der Aufstellung des Nachlassverzeichnisses seine Amtspflichten verletzt, konnte der BGH offen lassen.

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Die zutreffende Entscheidung des BGH stellt den Pflichtteilsberechtigten nicht schutzlos, verweist ihn aber auf den bekannt steinigen Weg zurück: Der Pflichtteilsberechtigte muss seine Ansprüche – auch die Hilfsansprüche nach § 2314 BGB – notfalls einklagen und aus den Teil-Urteilen vollstrecken. Zur Durchsetzung seines titulierten Auskunftsanspruchs muss der pflichtteilsberechtigte Gläubiger erforderlichenfalls gem. § 888 ZPO Zwangsgeld oder Zwangshaft festsetzen lassen.
Dies dauert Zeit, kostet Nerven und ist sehr ärgerlich. Darüber hinaus ist Voraussetzung einer Vollstreckung nach § 888 ZPO, dass die vorzunehmende Handlung ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt.
Ist die Handlung auch vom Willen eines Dritten abhängig (wie hier des Notars), muss der Verpflichtete die Handlung des Dritten mit der gebotenen Intensität einfordern und bei Untätigkeit des Notars die Beschwerde des § 15 Abs. 2 BNotO erheben. Unterlässt der Erbe die Beschwerde, kann trotz der Untätigkeit des Notars das Zwangsmittelf gegen den Erben festgesetzt werde (OLG Hamm ErbR 2023, 471).
Die Festsetzung von Zwangsmitteln ist nur dann ausgeschlossen, wenn eindeutig feststeht, dass der Schuldner erfolglos alle zumutbaren Maßnahmen einschließlich eines gerichtlichen Vorgehens unternommen hat, um den Dritten zu der vorzunehmenden Handlung zu veranlassen (BGH NJW-RR 2009, 443 Rz. 13 mwN), und die Mitwirkungshandlung des Dritten trotz dieses intensiven Bemühens nicht zu erlangen ist (OLG Hamm ErbR 2023, 471 (473)).
Die Voraussetzungen für diesen Ausnahmetatbestand hat der Vollstreckungsschuldner darzulegen und zu beweisen.

In einem solchen, extrem seltenen Fall wäre der Zwangsmittelantrag für erledigt zu erklären, um nicht eine kostenpflichtige Zurückweisung zu riskieren.

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