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Die Ausschlagung einer Erbschaft und eines Vermächtnisses

Die befreiende und die taktische Ausschlagung

Nach dem deutschen Erbrecht geht eine Erbschaft kraft Gesetzes von selbst und ohne Wissen und Wollen des Erben auf diesen über (§ 1922 BGB).
Allerdings hat der Erbe das Recht, sich einer „aufgedrängten“, ungewollten Erbschaft wieder zu entledigen, indem er gegenüber dem Nachlassgericht die Ausschlagung erklärt (§ 1942 Abs. 1 BGB). Hierfür gilt jedoch eine sehr kurze Frist!

Ist der Nachlass überschuldet, bietet die Ausschlagung meist den idealen Notausstieg. Mitunter ist sie aber auch ein Mittel kluger Taktik, um den Nachlass zu lenken, Steuerfreibeträge besser zu nutzen oder den Pflchtteil oder Zugewinnausgleich geltend machen zu können.

Auch ein Vermächtnis, also das zugewandte Recht, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands fordern zu können (§ 2174 BGB), fällt dem Begünstigten bereits mit dem Erbfall an (§ 2176 BGB) und kann ausgeschlagen werden (§ 2180 BGB).

Expertentipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Schlagen Sie eine Erbschaft niemals übereilt aus!

Ist nämlich die Ausschlagung einmal wirksam erklärt, lässt sie sich kaum mehr rückgängig machen. Dann droht der Totalverlust.
Befürchten Sie lediglich, dass Schulden im Nachlass sein könnten, gibt es später immer noch Möglichkeiten, die → Haftung des Erben auf den Nachlass zu beschränken!

Die häufigsten Fragen zur Ausschlagung:

Die Ausschlagung in Frage und Antwort:

Erbe ausgeschlagen. Wer erbt dann? (Wirkung einer Ausschlagung)

Schlägt der Erbe eine ihm angefallene Erbschaft aus, hat dies nach dem Gesetz folgende Konsequenzen:

  1. Die Erbschaft gilt als von Anfang an nicht angefallen (§ 1953 Abs. 1 BGB).
  2. Die Erbschaft fällt dann dem an, der berufen wäre, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 Abs. 2 BGB); sie fällt also dem nach der gesetzlichen Erbfolge Nächstberufenen, dem testamentarisch ausdrücklich bestimmten oder dem nach Auslegung oder nach Auslegungsregeln zu bestimmenden Ersatzerben an.
  3. Die Erbschaft fällt dem „Ersatzerben“ nicht erst ab der Ausschlagung an, sondern gilt rückwirkend als ab dem Erbfall angefallen (§ 1953 Abs. 2, 2. Hs. BGB).

Das Gesetz arbeitet also mit einer doppelten Fiktion: Der Ausschlagende gilt als vorverstorben und die Erbschaft gilt als dem „Ersatzmann“ rückwirkend ab dem Erbfall angefallen.

Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

  • Liegt ein → Testament oder → Erbvertrag vor, muss man schauen, ob der Erblasser einen sog. Ersatzerben bestimmt hat. Dann erbt dieser anstelle des Ausschlagenden. Ist ein Ersatzerbe nicht ausdrücklich bestimmt, sind bestimmte Auslegungsregeln zu beachten (z.B. § 2069 BGB).
  • Liegt kein Testament oder Erbvertrag vor, ist der Ersatzmann nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu bestimmen.
Zur Klarstellung: Das Gesetz fingiert nicht, dass der Ausschlagende niemals gelebt hätte. Es fingiert nur für die Nächstberufung, dass der Ausschlagende „zur Zeit des Erbfalls“ nicht gelebt hätte, also vor dem Erblasser verstorben wäre!
Es kommt also (nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge) zunächst zur Berufung innerhalb des Stammes des Ausschlagenden und nicht zur Anwachsung bei den übrigen Erben oder zu einer Berufung fernerer Ordnungen.

Der Nächstberufene selbst muss dabei den Erbfall erlebt haben, nicht aber auch noch die Ausschlagung.

Kurioser Fall aus der Praxis:
Der Vater des Mandanten ist ohne letztwillige Verfügung verstorben. Nur wenige Tage danach ist auch dessen Vater, also der Opa des Mandanten, verwitwet verstorben, ohne eine letztwillige Verfügung hinterlassen zu haben.
Nunmehr stellt sich – innerhalb der Ausschlagungsfrist – heraus, dass der Vater des Mandanten erhebliche Schulden hatte. Dessen zweite Ehefrau hat das Erbe daher bereits ausgeschlagen.
Somit eilt der Mandant nun zum Nachlassgericht, um ebenfalls die Erbschaft nach seinem Vater für sich und seine Kinder auszuschlagen.
Die Ausschlagungsfrist nach dem Opa lässt er verstreichen.

Fatale Konsequenz:  Durch die Ausschlagungen des Mandanten nach seinem Vater hat der Opa rückwirkend seinen Sohn allein beerbt. Und damit hat trotz und letztlich aufgrund seiner Ausschlagung der Mandant dann doch die Schulden des Vaters über den Opa geerbt.
So blieb dem Mandanten nichts anderes übrig, als die Nachlassinsolvenz zu beantragen…

Welche Gründe sprechen für und gegen eine Ausschlagung?

Da ein Erbe nicht nur die Aktiva des Nachlasses, sondern auch eventuell bestehende Schulden erbt, für die er dann aufzukommen hat, ist häufigster Ausschlagungsgrund die befürchtete oder tatsächliche Wertlosigkeit oder gar Überschuldung des Nachlasses.

Doch eine Ausschlagung will tatsächlich gut überlegt sein!

Plädoyer gegen eine Ausschlagung

Bleibt bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist unklar, ob und in welcher Höhe Verbindlichkeiten vorhanden sind, besteht aber die realistische Möglichkeit, dass sich der Nachlass trotz Verbindlichkeiten letztlich „unter dem Strich“ als positiv erweisen könnte, dann kann es sich durchaus empfehlen, die Erbschaft nicht auszuschlagen.
Denn dem Erben stehen zu seiner Sicherheit verschiedene Instrumentarien der Haftungsbegrenzung auf den Nachlass zur Verfügung; er kann in unterschiedlicher Weise auch nach Ablauf der Ausschlagungsfrist immer noch verhindern, mit dem eigenen Vermögen zu haften.

Gründe für eine Ausschlagung

Steht eine Überschuldung sicher fest, ist Ihnen die Angelegenheit zu stressig oder sind die potentiellen Miterben zu nervig, dann schlagen Sie aus, wenn Sie der Nachlass nicht interessiert.

Es kann aber auch taktische Gründe für eine Ausschlagung geben…

Erbausschlagung wegen Privatinsolvenz des Erben?

Eins vorab: Vor und während eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ist der Schuldner nicht gezwungen, eine Erbschaft anzunehmen!
Auch wenn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergeht, liegt das Recht zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft ausschließlich beim Insolvenzschuldner (§ 83 InsO).
Nach der Rechtsprechung gilt dasselbe für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen oder die Annahme oder Ausschlagung von Vermächtnissen.
Sollten Sie während des Verbraucherinsolvenzverfahrens dagegen eine Erbschaft annehmen, dann fällt die gesamte Erbschaft in die Insolvenzmasse. Die Verwaltung und Verwertung des geerbten Vermögens steht ausschließlich dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder zu. Sie haben keinerlei Zugriff auf dieses Vermögen.

Auch während der Wohlverhaltensphase besteht nach der Rechtsprechung keine Obliegenheit, eine Erbschaft anzunehmen oder den Pflichtteil oder ein Vermächtnis geltend zu machen.
Allerdings müssen Sie jetzt, wenn Sie sich zur Annahme bzw. Geltendmachung entschließen, nur noch die Hälfte des von Todes wegen Erworbenen an den Treuhänder herausgeben (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und können so – je nachdem, wie viel Sie tilgen – von einer erheblichen Verkürzung der Wohlverhaltensphase profitieren.

Sollten Sie dennoch (taktisch) ausschlagen wollen, beachten Sie unbedingt die obigen Ausführungen zu der Frage: „Wer erbt dann?“ !

Bitte beachten Sie, dass ich zu diesem Themenkomplex keine Beratung vornehme! Dies mögen Insolvenzrechtskollegen tun.

Was ist denn eine taktische Ausschlagung?

Grund für eine Ausschlagung muss nicht immer die Wertlosigkeit oder Überschuldung des Nachlasses sein.

Man kann die Ausschlagung auch als optimierendes „Gestaltungsmittel“ nutzen, z.B. um

  • Vermögen und Steuerlasten besser auf mehrere Personen zu verteilen,
  • als Ehegatte den konkreten Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil oder
  • als belasteter pflichtteilsberechtigter Erbe oder nur mit einem Vermächtnis bedachter Pflichtteilsberechtigter den (vollen) Pflichtteil geltend machen zu können.

Ein Beispiel zur Steueroptimierung finden Sie hier.

Eine Ausschlagung kann sich ebenfalls anbieten, um

  • Pflichtteilsansprüche zu reduzieren oder
  • als Ehegatte seine Testierfreiheit zurück zu gewinnen.

Zu den taktischen Erwägungen zählt schließlich, dass der durch Verfügung von Todes wegen berufene Erbe die Möglichkeit hat, die Erbschaft als Testamentserbe auszuschlagen, aber als gesetzlicher Erbe anzunehmen (§ 1948 BGB).
In dem Fall der Entscheidung des BGH vom 16.01.19, IV ZB 20/18 (sehr lesenswert!), in dem die Erben versucht hatten, sich vom Joch der Vorerbenbeschränkungen und ihre Kinder von der Nacherbentestamentsvollstreckung zu befreien, ist die taktische Ausschlagung allerdings gehörig schief gegangen!

Beachte:  Eine gezahlte Abfindung für eine Ausschlagung unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 3 Abs. 2 Nr 4 ErbStG). Immerhin gilt aber die Abfindung als vom Erblasser zugewendet!

Dringende Empfehlung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Wegen der Kompliziertheit der verschiedenen Möglichkeiten zur Begrenzung der Eigenhaftung sowie der Folgenschwere und Irreversibilität einer beabsichtigten taktischen Ausschlagung lassen Sie sich vor einem solchen Schritt bitte unbedingt durch einen Fachanwalt für Erbrecht beraten!
Insbesondere in Fällen der taktischen Ausschlagung muss sorgfältigst geprüft werden, ggf. durch Testamentsauslegung, ob das mit der Ausschlagung verfolgte Ziel auch tatsächlich so eintreten kann, wie beabsichtigt.

Beispiele unbedachter/fehlgeschlagener taktischer („lenkender“) Ausschlagungen:

Wie wichtig fachanwaltliche Prüfung und Beratung vor Abgabe einer Ausschlagungserklärung ist, zeigen folgende fatale Beispielsfälle:

Negativ-Beispiel 1:
Nach dem plötzlichen Tode des Vaters sind dessen Ehefrau (Zugewinngemeinschaft) und der gemeinsame (kinderlose) Sohn gesetzliche Erben zu je 1/2 geworden. Der Sohn wollte aber, dass seine Mutter Alleinerbin sei und schlug die Erbschaft „aus allen Berufungsgründen“ aus.
Fatale Konsequenz: Nun meint die Cousine des Sohnes freudig erregt, Erbin zu 1/4 neben der Mutter geworden zu sein.
Um diese unerwünschte Folge zu beseitigen, focht der Sohn die Ausschlagung an.
Zu Unrecht, meint der BGH (Beschl. v. 22.03.23 – IV ZB 12/22, s. hierzu auch meine Rezension; ebenso OLG Hamm, Besch. v. 31.05.11, I-15 W 176/11, Beschl. v. 21.04.22 – 15 W 51/19; a.A. OLG Düsseldorf – I-3 Wx 173/17)): Ein Irrtum darüber, wem der Erbteil infolge der Ausschlagung anfällt bzw. wem die Ausschlagung letztlich zugute kommt, ist ein unbeachtlicher Motivirrtum.
Mangels Anfechtungsgrundes war die Anfechtungserklärung somit nicht wirksam; sein Erbscheinsantrag wurde zurückgewiesen.
Folge der unbedachten Ausschlagung: Die Cousine bildet nun mit der Mutter eine Erbengemeinschaft mit 1/4 Anteil.
[Anmerkung: Hätten Erblasser und Ehefrau im Güterstand der Gütertrennung gelebt, hätte die Cousine sogar 1/2 Anteil geerbt…]
Negativ-Beispiel 2:
Die Eheleute hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, dass Schlusserbe des Überlebenden von ihnen der gemeinsame Sohn S sein soll; in jedem Falle solle die Tochter T „nur ihren Pflichtteil fordern können“.
Die überlebende Witwe W erklärt nun gegenüber dem Nachlassgericht, dass sie die Erbschaft als eingesetzte Erbin ausschlage und als gesetzliche Erbin annehme.
Fatale Folge: Die Testamentsauslegung ergibt hier nach h.M., dass die Schlusserbeneinsetzung durch den Erstversterbenden gleichzeitig die Bestimmung als Ersatzerben bedeutet, wenn nicht die gesetzliche Erbfolge insgesamt eintreten, sondern einer der gesetzlichen Erben enterbt sein soll.
Die von der Witwe beabsichtigte gesetzliche Erbfolge ist folglich gar nicht erst eintreten, sondern wurde der Sohn testamentarischer Ersatz-Alleinerbe.
Beispiel 3 (Gegenbeispiel zu Fall 2):
Die Eheleute setzten sich testamentarisch gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten die Tochter T des Ehemanns aus erster Ehe und den Neffen N der Ehefrau zu Schlusserben zu gleichen Teilen. Nach dem Tod des Ehemanns schlug die Ehefrau die Erbschaft „aus allen Berufungsgründen“ aus.
T stellte Erbscheinsantrag als Alleinerbin, N meint, die Schlusserbeneinsetzung sei gleichzeitig eine Ersatzerbeneinsetzung (s.o. Bsp. 2), und beantragte einen gemeinschaftlichen Erbschein zu je 1/2.
Dies sah das OLG Hamm (Beschl. v. 14.03.14, 15 W 136/13) anders: „Setzen Ehegatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben sowie jeweils einseitig mit ihnen verwandte Personen gemeinsam als Erben des Letztversterbenden ein und schlägt der überlebende Ehegatte nach dem Tode des Erstversterbenden aus, kann die Schlusserbeinsetzung regelmäßig nicht als Ersatzerbeinsetzung auf den Nachlass des Erstversterbenden ausgelegt werden; für seinen Nachlass tritt dann gesetzliche Erbfolge ein.“ (amtl. Leitsatz)
Demnach wurde die T Alleinerbin der Erbschaft nach dem Ehemann.

Innerhalb welcher Frist ist die Ausschlagung zu erklären?

Eine Erbschaft kann nur innerhalb einer sehr kurzen Frist von sechs Wochen ausgeschlagen werden (§ 1944 Abs. 1 BGB).

Ausnahme Ausland: Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Monate, wenn entweder der Erblasser seinen letzten Wohnsitz ausschließlich im Ausland hatte oder sich der Erbe bei Fristbeginn im Ausland aufhielt (§ 1944 Abs. 3 BGB; s. zu den Anforderungen an „Aufenthalt“: BGH, Beschl. v. 16.01.19, IV ZB 20/18).

Wann beginnt die Frist für die Erbausschlagung zu laufen?

Die Frist beginnt, sobald der Erbe Kenntnis von Anfall und Grund der Berufung erlangt (§ 1944 Abs. 2 S. 1 BGB). Dabei setzt die Kenntnis ein zuverlässiges Erfahren der maßgeblichen Umstände voraus, aufgrund dessen ein Handeln erwartet werden kann (BGH NJW-RR 2000, 1530; OLG München ZEV 2006, 554).
Im Falle gesetzlicher Erbfolge ist Kenntnis vom Berufungsgrund dann anzunehmen, wenn dem Erben die Familienverhältnisse bekannt sind und er nach den Gesamtumständen und seiner subjektiven Sicht keine begründete Vermutung hat oder haben kann, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung vorhanden ist (OLG Celle Beschl. v. 07.02.22 – 6 W 188/21). Ein Irrtum oder eine falsche rechtliche Beurteilung kann die Kenntnis ausschließen. Auch abgerissene Familienbande können es aus Sicht des Erben als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Erblasser ihn durch letztwillige Verfügung ausschließen wollte und ausgeschlossen hat (OLG Schleswig Beschl. v. 20.06.2016 – 3 Wx 96/15, ZEV 2016, 698).
Erfolgt die Berufung durch Verfügung von Todes wegen, beginnt die Frist jedoch nicht vor Bekanntgabe der Verfügung durch das Nachlassgericht zu laufen (§ 1944 Abs. 2 S. 2 BGB).

Mit Ablauf der Ausschlagungsfrist gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943, 2. Hs. BGB). Eine Ausschlagung ist dann nicht mehr möglich. Allenfalls sie kann ggf. unter engen Voraussetzungen die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist erklärt werden (§ 1956 BGB).

Ein Nacherbe kann die Nacherbschaft bereits mit dem Erbfall ausschlagen (§§ 2142 Abs. 1, 1946 BGB).
Eine Frist zur Ausschlagung beginnt jedoch frühestens mit Eintritt des Nacherbfalls zu laufen, also dem „Anfall“ der Nacherbschaft (§ 2139 i.V.m. § 1944 Abs. 2 BGB).

Wie und wo ist die Erbausschlagung zu erklären?

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht (Gericht am Wohnsitz des Erblassers) zu erklären, entweder zur Niederschrift bei Gericht selbst oder durch notariell beglaubigte Erklärung (§ 1945 Abs. 1 BGB).

Seit dem 01.09.09 kann die Ausschlagung beim Nachlassgericht am Wohnsitz des Erben erklärt werden (§ 344 Abs. 7 FamFG) – und zwar fristwahrend!

Stellvertretung bei der Abgabe der Ausschlagungserklärung ist möglich. Allerdings bedarf der Bevollmächtigte dann einer notariell beglaubigten Vollmacht, die der Ausschlagungserklärung beizufügen oder jedenfalls innerhalb der Ausschlagungsfrist nachzureichen ist (§ 1945 Abs. 3 BGB).

Ab wann ist eine Ausschlagung nicht mehr möglich?

Ist die Erbschaft einmal durch ausdrückliche Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten angenommen worden (z.B. durch die Geltendmachung einer Forderung, die Aneignung von Nachlassgegenständen, Abhebungen vom Erblasser-Konto, die Kündigung oder Räumung der Erblasser-Wohnung oder durch einen Erbscheinsantrag), oder gilt eine Erbschaft nach Ablauf der Ausschlagungsfrist als angenommen, dann kann sie nicht mehr ausgeschlagen werden (§ 1943, 1. Hs. BGB)!

Die ausdrückliche oder konkludente Annahmeerklärung oder das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist kann dann nur noch angefochten werden (zu den Einzelheiten s. §§ 1954 ff. BGB und hier).

Tipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Möchten Sie sich noch offen halten, ob Sie die Erbschaft letztlich annehmen oder nicht, vermeiden Sie durch Ihr Verhalten unbedingt den Eindruck, dass Sie die Erbschaft annehmen wollen! Lassen Sie keinen Zweifel aufkommen!
Auch wenn es schwer fällt und viele sich zumindest moralisch verpflichtet fühlen, kann ich Ausschlagungswilligen aus äußerster anwaltlicher Vorsicht nur raten, keinen Finger mehr zu rühren und sich insbesondere nichts vom Nachlass einzuverleiben (auch nicht die Lieblings-CD oder sonstige Erinnerungsstücke).
Denn wer eine Erbschaft ausschlägt, hat mit den Rechten und Pflichten eines Rechtsnachfolgers und mit dem Nachlass des Erblassers NICHTS (mehr) zu tun! Dies ist dann die Sache des dereinstigen Erben, wer auch immer dies sein mag.
Selbst eine Verzögerung etwa bei der Räumung der Erblasser-Wohnung ist letztlich das Problem des Vermieters, der Nachlasspflegschaft beantragen kann.
Auch das Bestehen einer (Vorsorge-) Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten, im Namen des Vertretenen zu handeln, verpflichtet ihn aber nicht zu irgendwelchen Handlungen!

Wie schlägt ein Minderjähriger, ein Mündel, ein Betreuter eine Erbschaft aus?

Für minderjährige Kinder können nur die vertretungsberechtigten Eltern die Erbschaft ausschlagen. Hierzu benötigen sie jedoch die Genehmigung des Familiengerichts.

Ausnahme: Fällt die Erbschaft dem Kind ausschließlich durch die Ausschlagung eines Elternteils an, so bedarf es der familiengerichtlichen Genehmigung der Ausschlagung nicht (§ 1643 Abs. 2 BGB).
Nach h.M. ist ebenfalls genehmigungsfrei, wenn der Elternteil als Vorerbe für sich ausschlagt und sodann die Eltern die Nacherbschaft für ihr minderjähriges Kind (OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.04.11, 20 W 374/09).
Gegenausnahme bei selektiver Ausschlagung?
Nehmen die Eltern die Erbschaft für eines mehrerer Kinder an und schlagen für die übrigen aus, bedarf dies nach dem KG Berlin  (Beschl. v. 13.03.12, 1 W 747/11) und dem OLG Hamm  (Beschl. v. 13.12.13, 15 W 374/13) ebenfalls der Genehmigung des Familiengerichts.
Die jüngere Literatur, das OLG Köln  (Beschl. v. 26.04.12, II-12 UF 10/12) und nun wohl auch der 11. Familiensenat beim OLG Hamm  (Beschl. v. 28.06.18, 11 WF 112/18, für die „lenkende Ausschlagung“) lehnen eine „teleologische Reduktion“ des § 1643 Abs. 2 BGB und damit eine Genehmigungsbedürftigkeit ab.
Die Rechtslage bleibt damit unklar; auf ein klärendes Wort des BGH muss gespannt gewartet werden.

Leben die Eltern eines Kindes voneinander getrennt, und wirkt der andere Sorgeberechtigte an der Ausschlagung nicht mit, muss der Elternteil zwingend innerhalb der Ausschlagungsfrist

  • eine einstweilige Anordnung beim Familiengericht auf teilweise Übertragung des Sorgerechts zum Zwecke der Ausschlagung stellen,
  • sodann mit der erlassenen einstweiligen Anordnung die Ausschlagung erklären und
  • die Genehmigung des Familiengerichts hierzu beantragen (Ausn.: § 1643 Abs. 2 BGB).

Verzögerungen bei der Genehmigung der Ausschlagung gehen dann nicht zulasten des Kindes, solange alles innerhalb der Ausschlagungsfrist in die Wege geleitet worden war.

Für ein Mündel kann nur der Vormund, für einen Betreuten kann nur der Betreuer eine Erbschaft ausschlagen.
Hierzu bedarf der Vormund für die Ausschlagungserklärung für sein Mündel der familiengerichtlichen Genehmigung (§ 1822 Nr. 2 BGB); ebenso bedarf der Betreuer der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§§ 1908i Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1822 Nr. 2 BGB).

Kann auch ein bestimmter Teil der Erbschaft ausgeschlagen werden?

Nein!
Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft können nicht auf Teile der Erbschaft beschränkt werden; eine solche Teilannahme oder Teilausschlagung ist unwirksam (§ 1950 BGB).

Im Erbrecht gilt nicht die „Rosinentheorie“. Es wäre ja noch schöner, die Sparbücher annehmen, aber die Darlehen ausschlagen zu können…

Auch die Ausschlagung (oder Annahme) unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung ist unwirksam (§ 1947 BGB).

Wie hoch sind die Kosten für die Ausschlagung einer Erbschaft?

Wird die Ausschlagung beim Nachlassgericht erklärt, fällt dort gem. Nr. 21201 Nr. 7 KV-GNotKG eine halbe Gebühr (0,5) nach Tabelle B – bezogen auf den Geschäftswert – an, mindestens jedoch eine Gebühr von 30,00 €.
Die Ausschlagung einer überschuldeten Erbschaft kostet also eine Mindestgebühr von 30,00 €.

Für die Ermittlung des Geschäftswerts gilt § 103 GNotKG. Danach bestimmt sich der Geschäftswert nach dem Wert des betroffenen Vermögens (des Nachlasswertes) oder des betroffenen Bruchteils nach Abzug der Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Beurkundung.

Wird ein Notar eingeschaltet, kommt es darauf an, welche Tätigkeit der Notar auftragsgemäß entfaltet:

  • Wird die Ausschlagungserklärung von Notar angefertigt und beurkundet, fallen dieselben Kosten wie beim Nachlassgericht (s.o.) an; hinzu kommt allerdings noch die Umsatzsteuer auf die Notar-Gebühr!
  • Soll der Notar lediglich die Unterschrift unter eine selbst gefertigte Ausschlagungserklärung beglaubigen, so erhält der Notar nach Nr. 25100 KV-GNotKG nur eine 0,2 Gebühr nach Tabelle B, bezogen auf den Nachlasswert, mindestens 20,00 € und höchstens 70,00 € zzgl. Umsatzsteuer.

Kann man die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft anfechten?

Die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist kann angefochten werden, wenn ein beachtlicher Anfechtungsgrund vorliegt.

Worauf die Anfechtung gestützt werden kann, richtet sich dabei allein nach § 119 BGB. Die Sonderregeln der §§ 1954, 1955 und 1957 BGB zu Frist, Form und Wirkung der Anfechtung ändern oder erweitern nicht die Anfechtungsgründe, die da sind:

  • Irrtum über die Erklärungshandlung
  • Irrtum über die Erklärungsbedeutung (Inhaltsirrtum)
  • Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Erbschaft
  • arglistige Täuschung
  • widerrechtliche Drohung
  • Falschübermittlung.

Praxisrelevant ist insbesondere der zur Anfechtung berechtigende Inhaltsirrtum in Abgrenzung zum unbeachtlichen Motivirrtum.
Hierzu gibt es eine kaum überschaubare, sich teilweise widersprechende Kasuistik:

So soll

  • beachtlich sein der Irrtum über die Erbquote, der Irrtum über weitere Miterben und sogar der Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses in Bezug auf seine Überschuldung,
  • unbeachtlich dagegen der Irrtum über die Person des Nächstberufenen bei der Ausschlagung (BGH, Beschl. v. 22.03.23 – IV ZB 12/22, s. hierzu auch meine Rezension; ebenso OLG Hamm, Besch. v. 31.05.11, I-15 W 176/11, Beschl. v. 21.04.22 – 15 W 51/19; a.A. OLG Düsseldorf; hier zur Besprechung), der Irrtum über den Wert des Nachlasses oder von Nachlassgegenständen oder der Irrtum über die Höhe der Erbschaftsteuer.
    Auch wer ohne Kenntnis von der Zusammensetzung des Nachlasses und ohne Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten, sondern aufgrund von Hoffnungen oder Befürchtungen zu dem Ergebnis gelangt, eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen zu wollen, unterliegt einem anfechtungsrechtlich unbeachtlichen Motivirrtum und ist nicht zur Anfechtung berechtigt (s. u.a. die hier mitgeteilten Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 31.01.11 und 19.12.18).
    Etwas anderes soll nach einer neueren Entscheidung des OLG Düsseldorf  vom 27.01.20 (I-3 Wx 167/19) jedoch dann gelten, wenn die Erbausschlagung auf einer behördlichen Empfehlung beruhte (nachdem die Stadt die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme vorgenommen hatte).

Auch der Rechtsfolgenirrtum, also der Irrtum über die Rechtsfolgen einer Willenserklärung, wird uneinheitlich behandelt.
Gesichert ist jedenfalls, dass ein Rechtsirrtum dann zur Anfechtung berechtigt, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt.
Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum.

Wegen der Kompliziertheit der Anfechtung, der Fülle an Kasuistik in diesem Bereich, und weil es immer auf eine Einzelfallprüfung ankommt, sollten Sie unbedingt einen Fachanwalt für Erbrecht zu Rate ziehen!

Anfechtung wegen Irrtums über die Notwendigkeit einer Ausschlagung zur Erhaltung des Pflichtteils?

Der BGH hat mit Urteil vom 29.06.16 (IV ZR 487/15) seine Entscheidung aus dem Jahre 2006 (Beschl. v. 05.07.06, IV ZB 39/05) bestätigt:

Der Irrtum eines beschränkten oder beschwerten pflichtteilsberechtigten Erben über die Notwendigkeit einer Ausschlagung der Erbschaft zur Erhaltung seines Anspruchs auf den Pflichtteil ist ein erheblicher Anfechtungsgrund!

Denn, so der BGH, zu den unmittelbaren und wesentlichen Wirkungen der Erklärung einer Erbschaftsannahme gehöre keineswegs nur, dass der i.S.d. § 2306 BGB belastete Erbe die ihm zugedachte Rechtsstellung als Erbe einnimmt, sondern ebenso, dass er das von § 2306 BGB eröffnete Wahlrecht verliert, sich für den möglicherweise dem Werte nach günstigeren Pflichtteilsanspruch zu entscheiden.
Der Verlust des Pflichtteilsrechts als Rechtsfolge solchen Verhaltens präge dessen Charakter nicht weniger als das Einrücken in die Rechtsstellung des Erben; beide Folgen seinen zwei Seiten derselben Medaille.

Es liegt damit ein erheblicher, zur Anfechtung berechtigender Rechtsfolgenirrtum vor. Amen!

Wie wird ein Vermächtnis ausgeschlagen?

Anders als eine Erbschaft kann ein Vermächtnis jederzeit ab Eintritt des Erbfalls ohne Frist ausgeschlagen werden.

Die Ausschlagungserklärung erfolgt gegenüber dem beschwerten Erben oder Vermächtnisnehmer (beim Untervermächtnis) und nicht gegenüber dem Nachlassgericht.

Der Grund für die unterschiedliche Behandlung zur Erbausschlagung liegt darin, dass mit einem Vermächtnis keine gegenüber jedermann geltende Rechtsänderung eintritt, sondern nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegenüber dem mit dem Vermächtnis beschwerten Erben.

Eine Ausschlagung unter einer Bedingung, Zeitbestimmung oder Beschränkung auf einen bestimmten Teil ist unwirksam.

Mit der Ausschlagung des Vermächtnisses gilt dieses als von Anfang an nicht angefallen; es fällt – je nach Verfügung – entweder demjenigen an, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte – oder erlischt.

Der Vermächtnisnehmer kann ein Vermächtnis nicht mehr ausschlagen, sobald er es angenommen hat (s. § 2180 BGB und insbesondere seine Verweisungen in Abs. 3!).

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