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Die Haftung des Erben

– und wie der Erbe sein Vermögen schützen kann

Eine häufige Frage in der Beratungspraxis ist die nach der Erbenhaftung und einer möglichen Haftungsbeschränkung.
Denn eine Erbschaft ist nicht immer ein Segen; sie kann auch mit Verbindlichkeiten belastet und im schlimmsten Fall gar überschuldet sein.

Ab dem Erbfall haftet der Erbe grds. mit dem Nachlass und seinem eigenen Vermögen.
Will der Erbe sein eigenes Vermögen schützen und den Zugriff von Gläubigern abwehren, muss er aktiv werden und haftungsbeschränkende Maßnahmen ergreifen!

Die Erbenhaftung ist in den §§ 1967 – 2017 BGB und für Miterben in den Sondervorschriften der §§ 2058 – 2063 BGB geregelt. Nach diesen Vorschriften gilt der

Grundsatz der unbe­schränk­ten, aber be­schränk­ba­ren Er­ben­haf­tung.

Auf dieser Seite soll lediglich ein kurzer Überblick über die allgemeinen Grundlagen verschafft werden, um zu sensibilisieren. Die Einzelheiten der Erbenhaftung können hier nicht dargestellt werden; dies würde viel zu weit führen.

Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:
Das Recht der Erbenhaftung gilt als eines der schwierigsten Teilgebiete des Erbrechts, insbesondere wenn es auf handels- oder gesellschaftsrechtliche Sondervorschriften ankommt.
Bitte lassen Sie sich daher unbedingt von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten!

Die Erbenhaftung in Frage und Antwort:

Was zählt zu den Nach­lass­ver­bind­lich­keiten?

Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen

  • die „vom Erblasser herrührenden Schulden“ (Erblasserschulden),
  • die „den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten“ aus Anlass des Erbfalls (Erbfallschulden) und
  • die durch nachlassbezogenes rechtsgeschäftliches Handeln des Erben begründeten Verpflichtungen (Nachlasserbenschulden).

Was gehört zu den Erb­las­ser­schulden?

Erblasserschulden sind die „vom Erblasser herrührenden“ (§ 1967 Abs. 2 BGB) Verbindlichkeiten.

Da sämtliche vermögensrechtlichen Beziehungen des Erblassers auf den Erben übergehen, sind die Erblasserschulden recht einfach zu bestimmen. Zu ihnen gehören auch die unfertigen (noch werdenden und schwebenden) Rechtsbeziehungen und die bedingten, befristeten oder zukünftigen Ansprüche.

Typische Erblasserschulden sind z.B.

  • schuldrechtliche Verbindlichkeiten, etwa aus Kaufverträgen oder Abos
  • Mietschulden, Wohngeld-Forderungen
  • offene Ratenzahlungen, Darlehen, Bürgschaften
  • aufgelaufene Krankenhaus- oder Heimkosten
  • Betreuungskosten, insb. eine Betreuervergütung
  • Schadensersatzansprüche Dritter
  • Unterhaltsrückstände
  • öffentlich-rechtliche Steuer-, Gebühren- und Abgabenverbindlichkeiten etc., ebenso die bis zum Tode des Erblasser angefallenen Steuer- und Hinterziehungszinsen.

In der Fallgruppe „Erblasserschulden“ stellt sich eigentlich nur die Frage, ob bestimmte Erblasser-Verpflichtungen überhaupt vererblich sind.
Denn hier finden sich zahlreiche Ausnahmen vom Grundsatz der Vererblichkeit im

  • Schuldrecht (z.B. die Pflichten des Beauftragten oder Geschäftsbesorgers, die Leistungspflichten der Dienst- und Arbeitnehmer, i.d.R. das Versprechen einer Unterstützung mit wiederkehrenden Leistungen [§ 520 BGB]),
  • im Familienrecht (so erlöschen die Unterhaltspflichten – mit Ausnahme des dann auf den fiktiven Pflichtteil begrenzten Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten [§ 1586b Abs. 1 S. 3 BGB] oder der nicht mit dem Vater verheirateten Kindsmutter [§§ 1615l Abs. 2 S. 5, 1615m BGB], ebenso erlöschen die Ansprüche auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich und Abfindungen [§ 31 VersAusglG]) oder
  • im Handelsrecht (bezüglich verschiedener Anmeldepflichten).

Auch Geldstrafen, Geldbußen und Zwangsgelder gehen nicht auf den Erben über.

Was sind Erbfall­schul­den?

Erbfallschulden sind alle Verbindlichkeiten, die mit dem Erbfall und in Bezug auf ihn entstehen.
Hierzu gehören insbesondere die in § 1967 Abs. 2 BGB ausdrücklich erwähnten

Bei Pflichtteils- und Vermächtnisansprüchen sowie Auflagen ist die Rangfolge des § 327 InsO zu beachten! Dies bedeutet u.a., dass Pflichtteilsansprüche immer vor Vermächtnissen und Auflagen zu bedienen sind.

Zu den Erbfallschulden zählen darüber hinaus die Nachlasskosten und Nachlassverwaltungsschulden, wie z.B.

  • die Beerdigungskosten, die der Erbe immer zu tragen hat (§ 1968 BGB),
  • die Kosten der Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen,
  • der Dreißigste (§ 1969 BGB),
  • der evtl. Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten (§ 1371 Abs. 2, 3 BGB),
  • die Kosten der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses, einer Nachlasspflegschaft, des Aufgebots der Nachlassgläubiger sowie der Inventarerrichtung,
  • Kosten für Nachlassverzeichnisse und die Wertermittlung, z.B. für den Pflichtteilsberechtigten (§ 2314 Abs. 2 BGB), nicht (!) aber die Kosten der eidesstattlichen Versicherung (§ 261 Abs. 2 BGB),
  • Verwaltungskosten eines Verwalters oder des vorläufigen Erben, des Vorerben und des endgültigen Erben im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung,
  • die Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften eines Nachlasspflegers oder eines Testamentsvollstreckers,
  • die Vergütung eines Nachlasspflegers oder eines Testamentsvollstreckers,
  • die Kosten einer Todeserklärung im Verschollenheitsverfahren,
  • Wohngeldverpflichtungen nach §§ 16, 28 Abs. 5 WEG (h.M.),
  • der Anspruch auf Ausbildung ehefremder Kinder (§ 1371 Abs. 4 BGB),
  • Kosten eines Insolvenzverfahrens (einschließlich der Kosten des Insolvenzverwalters),
  • die von einem Insolvenzverwalter rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten.

Keine Erbfallschulden, und damit nicht vom Nachlass zu tragen, sind

Was sind sog. Nach­lass­er­ben­schul­den?

Nachlasserbenschulden (oder Nachlass-Eigenschulden) sind Verbindlichkeiten aufgrund von vornehmlich rechtsgeschäftlichem Handeln eines Erben, das er im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses entfaltet.

Nachlasserbenschulden haben nach h.M. eine Doppelstellung als Nachlassverbindlichkeit und als Eigenschuld. Denn der Erbe, der im eigenen Namen Verträge abschließt, haftet in erster Linie persönlich; beim Tätigwerden auch im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung verpflichtet er gleichzeitig auch den Nachlass.

Da der Erbe bei Nachlasserbenschulden (auch) persönlich haftet, ist den Nachlassgläubigern trotz Haftungsbeschränkung immer der Zugriff auf das Eigenvermögen des Erben möglich!

Die Haftung für Nach­lass­er­ben­schul­den ist NICHT be­schränk­bar!

Inwieweit haftet der Erbe für Steuerschulden des Erblassers?

Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers (§ 1967 BGB), insbesondere auch für die vom Erblasser herrührenden Steuerschulden (§ 45 Abs. 1 S. 1 AO), die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren oder die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen noch begründet hat.
Mehrere Miterben haften als Gesamtschuldner. Auf die Kenntnis des Erben von einer (objektiven) Steuerverkürzung oder -hinterziehung des Erblassers kommt es nicht an.

Erfährt ein Erbe vor oder nach dem Erbfall, dass die Steuern des Erblassers zu niedrig festgesetzt wurden, ist er nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet, die Steuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Unterlässt er dies, begeht er selbst eine Steuerhinterziehung.

Eine Steuerhinterziehung führt zur Verlängerung der Festsetzungsfrist auf 10 Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO)!
Das gilt auch zum Nachteil eines Miterben, der die Steuerhinterziehung, sei sie vom Steuerschuldner oder einem Dritten begangen, weder kannte noch von ihr wusste (BFH, Urt. v. 29.08.17, VIII R 32/15).

Wie kann sich der Erbe vor einer Haftung mit seinem eigenen Vermögen schützen?

Will sich der Erbe vor einem Zugriff auf sein Eigenvermögen schützen, muss er aktiv werden und als haftungsbeschränkende Maßnahmen entweder

  • die Anordnung der Nachlassverwaltung (s. hierzu in meinem Erbrecht-Glossar unter „Nachlassverwaltung“) oder
  • die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens (s. hierzu in meinem Erbrecht-Glossar unter „Nachlassinsolvenz“)

beantragen (§ 1975 BGB).

Nur wenn nachweislich (!) der Nachlass über keine die Kosten dieser Verfahren deckende Masse verfügt, führt auch die sog. Dürftigkeitseinrede zur Haftungsbeschränkung auf den Nachlass (§ 1990 BGB).

Diese vorgenannten Haftungsbeschränkungsmittel wirken gegenüber allen Nachlassgläubigern.

Daneben gibt es noch weitere Einreden, die der Erbe einzelnen Nachlassgläubigern entgegen halten kann, um diesen gegenüber seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken.

Ein Schutz durch Haftungsbeschränkung ist allerdings bei Nachlasserbenschulden nicht gegeben, s.o.

Haftungsbeschränkungsvorbehalt im Prozess

In einem Prozess muss der Erbe unbedingt einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt (§ 780 ZPO) in den Tenor des Urteils aufnehmen lassen! Dies kann noch während der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz beantragt werden.
Es ist sogar möglich, Berufung einzulegen mit dem alleinigen Ziel, einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt in das Urteil aufnehmen zu lassen (BGH, Urt. v. 02.02.10, VI ZR 82/09).
Ohne einen solchen Vorbehalt kann der Erbe im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Haftung nicht begrenzen!

Achtung: Der Vorbehalt der Haftungsbeschränkung führt nicht automatisch dazu, dass eine Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen nicht erfolgen könnte. Vielmehr muss der Erbe in einem solchen Fall Vollstreckungsgegenklage erheben und in diesem Verfahren die materiellen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung nachweisen (BGH, Beschl. v. 25.01.18, III ZR 561/16).

Wozu dient ein Aufgebotsverfahren?

Der noch nicht unbeschränkt haftende Erbe (aber auch ein Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker) kann bei Gericht ein Aufgebotsverfahren (§ 1970 BGB i.V.m. §§ 433 ff., 454 ff. FamFG) beantragen.

Innerhalb einer vom Gericht angeordneten Aufgebotsfrist von mindestens sechs Wochen (§ 437 FamFG) haben die Gläubiger dann die Möglichkeit, ihre Forderungen anzumelden.
Sodann ergeht ein Ausschließungsbeschluss.

Gläubiger, die bis dahin ihre Forderungen nicht angemeldet haben und somit ausgeschlossen sind, werden erst nach nicht ausgeschlossenen Gläubigern und auch nur noch nach Bereicherungsgrundsätzen (§ 1973 BGB) mit dem Überrest des Nachlasses bedient.

Der Erbe erreicht mit dem Aufgebotsverfahren also zweierlei:

  • Zum einen verschafft ihm das Verfahren einen ersten Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten, so dass er entscheiden kann, ob er Haftungsbegrenzungsmaßnahmen ergreifen muss.
  • Zum anderen tritt kraft Gesetzes eine Haftungsbegrenzung gegenüber den ausgeschlossenen Gläubigern auf den ggf. noch vorhandenen Nachlass ein.

Zuständig ist das Amtsgericht am Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls.

Antragsberechtigt ist jeder einzelne Erbe, auch der Nacherbe, der Nachlasspfleger, Nachlassverwalter sowie der verwaltende Testamentsvollstrecker.

Eine Frist, das Aufgebotsverfahren beantragen zu können, gibt es nicht. Allerdings steht die Aufgebotseinrede dem Erben nur zu, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres ab Erbschaftsannahme gestellt und zugelassen wurde (§ 2015 Abs. 1 BGB).

Die Gerichtskosten belaufen sich gem. GNotKG KV 15212 auf eine halbe Gebühr (0,5) nach Tabelle A. Der Geschäftswert beträgt regelmäßig 15% der Summe der Verbindlichkeiten.

Das Verfahren endet durch Ausschließungsbeschluss oder durch Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens.

Beachte: Nachlassgläubiger, die ihre Forderung gegenüber dem Erben nicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Erbfall geltend machen und auch nicht beweisen, dass die Forderung dem Erben schon vor dem Ablauf von fünf Jahren bekannt geworden ist, sind ausgeschlossenen Gläubigern gleichgestellt (§ 1974 BGB). Das gilt nicht für Gläubiger, die von einem Aufgebot nicht betroffenen sind (§§ 1974 Abs. 3, 1971 BGB).

Wozu dient die Inventarerrichtung?

Hier ist zu unterscheiden zwischen der freiwilligen Inventarerrichtung durch den Erben bzw. jeden einzelnen Miterben und die Inventarerrichtung auf Antrag eines Gläubigers.

Nach § 1993 BGB wird das „Verzeichnis des Nachlasses“ als „Inventar“ legal definiert.

Das Inventar soll alle zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlassgegenstände unter Angabe ihres Wertes oder einer zur Wertermittlung hinreichenden Beschreibung sowie sämtliche Nachlassverbindlichkeiten angeben (§ 2001 BGB).

Das freiwillige Inventar des Erben

Das freiwillige Erbeninventar hat noch keine haftungsbeschränkende Wirkung.
Es erhält dem Erben aber zunächst das Recht zur Haftungsbeschränkung, da er eine gerichtliche Frist nicht mehr versäumen kann, was unweigerlich zum Verlust der Haftungsbeschränkung führen würde.
Das Erbeninventar ist also eher eine rein prophylaktische Maßnahme gegen die Folgen eines Gläubiger-Antrags (s.u.).

Vorteil des Inventars ist insbesondere: Dem Erben kommt die Vermutung des § 2009 BGB zugute, nach der im Verhältnis zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern (widerleglich) vermutet wird, dass zur Zeit des Erbfalls weitere Nachlassgegenstände als die angegebenen nicht vorhanden waren. Gleichzeitig wird vermutet, dass nicht im Inventar aufgeführte Gegenstände nicht zum Nachlass, sondern zum Eigenvermögen des Erben gehören.
Voraussetzung: Das Inventar wurde formal ordnungsgemäß erstellt, rechtzeitig innerhalb einer vom Gericht ggf. gesetzten Inventarfrist errichtet und ist „inventartreu“ (§ 2005 BGB – lesen!)

Allerdings: Da jedoch ein klagender Gläubiger ehedem die Beweislast für die Zugehörigkeit eines Gegenstands zum Nachlass trägt, wird die Regelung des § 2009 BGB praktisch wohl nur im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage des § 785 ZPO (mit Verweisungen lesen!) relevant, da hier der Erbe die Beweislast dafür trägt, dass ein Gegenstand nicht zum Nachlass gehört.

Die Vermutung kann ferner bedeutsam werden, wenn

  • ein Gläubiger in den Nachlass vollstrecken will,
  • der Erbe den Nachlass herauszugeben hat,
  • der Erbe sich im Hinblick auf §§ 1978, 1980, 1991 BGB „entlasten“ will,
  • der Erbe nachweisen möchte, dass der Nachlass erschöpft ist.

Eine rein privatschriftliche Aufnahme eines Inventars erzeugt keinerlei Wirkung. Der Erbe muss zu der Aufnahme schon einen Notar zuziehen (§ 2002 BGB) oder – auf seinen Antrag beim Nachlassgericht – gleich ein amtliches Inventar durch einen Notar aufnehmen lassen.
Die Bezugnahme auf ein bereits errichtetes Inventar ist ausreichend (§ 2004 BGB).

Die Kosten der Inventarerrichtung trägt der Erbe (§ 23 Nr. 4 d GNotKG).

Das Inventar auf Antrag eines Gläubigers

Gefährlich für den Erben kann die auf Antrag eines Nachlassgläubigers auf Errichtung des Inventars durch das Nachlassgericht gesetzte Inventarfrist werden.
Reicht nämlich der Erbe innerhalb dieser Frist das Inventar nicht ein, führt dies ab diesem Zeitpunkt zur unbeschränkbaren Haftung (§ 1994 Abs. 1 S. 2 BGB).

Expertentipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:
Es kann nur verwundern, dass das „Inventar“ so selten von Nachlassgläubigern beantragt wird. Denn dieses Instrument kann perfekt als Druckmittel und „Waffe“ eingesetzt werden, um – gerade bei notleidenden Nachlässen – eine Haftung des Erben (auch) mit seinem Eigenvermögen herbeizuführen!
Nicht selten verpasst nämlich der Erbe die gerichtliche Inventarfrist, z.B. weil er sich nicht für den („zuständigen“) Erben hält oder die Bedeutung des Inventars verkennt und den Gläubiger-Antrag als „reine Schikane“ bekämpft.

Der Gläubiger-Antrag auf Bestimmung einer Inventarfrist kann jederzeit von jedem Nachlassgläubiger beim Nachlassgericht unter Glaubhaftmachung des Anspruches gestellt werden.

Zwar hat der beantragende Gläubiger die Gerichtskosten als Antragsteller zu tragen (§ 22 Abs. 1 GNotKG); diese betragen jedoch lediglich 25,00 € (Nr. 12411 KV-GNotKG).

Expertentipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:
Kann ein Inventar nicht mehr fristgerecht durch den Erben eingereicht werden, ist sicherheitshalber ein Antrag auf amtliche Aufnahme des Inventars nach § 2003 BGB zu stellen! Dieser Antrag wahrt immer die Inventarfrist (Abs. 1 S. 3).

Was bewirkt die Dürf­tig­keits­ein­rede?

Nach § 1975 BGB kann der Erbe eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass grds. nur erreichen (und damit sein Eigenvermögen schützen), wenn Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird.

Allerdings kann der Erbe nach §§ 1990 – 1992 BGB auch ohne amtliche Nachlassliquidation eine endgültige Haftungsbeschränkung auf den Nachlass erreichen, wenn der Nachlass derart „dürftig“ bzw. „unzulänglich“ ist, dass die Kosten der Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens nicht gedeckt werden können.

Dann kann sich der Erbe auf die Dürftigkeit bzw. Unzulänglichkeit berufen. In einem gegen ihn gerichteten Prozess muss er die sog. Dürftigkeitseinrede oder die Unzulänglichkeitseinrede erheben und zwingend die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts in das Urteil (§ 780 ZPO) beantragen.

Vergisst der Erbe einen solchen Antrag und wird ihm die Haftungsbeschränkung nicht vorbehalten, haftet er diesem Gläubiger unbeschränkt, also auch mit seinem eigenen Vermögen.

Enthält das vollstreckbare Urteil zugunsten des Gläubigers dagegen den Haftungsbeschränkungsvorbehalt, kann der Erbe diesem Gläubiger im Rahmen der Zwangsvollstreckung seine beschränkte Haftung entgegenhalten, wenn der Gläubiger in das Eigenvermögen des Erben vollstreckt.
Allerdings muss der Erbe hierzu nach §§ 785, 767 ZPO Vollstreckungsgegenklage erheben; gleichzeitig kann er durch einstweilige Anordnung die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen.

Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 1990 BGB trägt der Erbe.

Ist der Nachlass nicht nur dürftig, sondern auch überschuldet, erhebt der Erbe die Unzulänglich­keit­sein­rede (§ 1991 BGB).
Gelingt dem Erben der Nachweis der Unzulänglichkeit bereits im Erkenntnisverfahren, kann er eine Abweisung der Klage als unbegründet (a.A. „zurzeit unzulässig“) erreichen.

Wann ist die Dürftig­keit­sein­rede unbeachtlich?

Die Dürftigkeitseinrede ist unbeachtlich,

  • wenn der Erbe unbeschränkt haftet, weil er sein Recht zur Haftungsbeschränkung verloren hat,
  • wenn es sich um eine Nachlasserbenschuld handelt,
  • wenn es um eine reine Eigenschuld des Erben geht,
  • bei dinglichen Ansprüchen,
  • bei Fortführung eines Nachlassunternehmens (§§ 27, 25 HGB)
  • bei Haftung gesellschaftsrechtlicher Verbindlichkeiten (§ 130 HGB).

Welche weiteren haf­tungs­be­schrän­ken­den Einreden gibt es?

Um seine Haftung gegenüber bestimmten Gläubigern auf den Nachlass zu beschränken, stehen dem Erben weitere Einreden zur Verfügung, nämlich die

  • Aufgebotseinrede nach durchgeführtem Aufgebotsverfahren gegenüber dem ausgeschlossenen Gläubiger (§ 1973 BGB);
  • Verschweigungseinrede gegenüber Gläubiger, die erst fünf Jahres nach dem Erbfalls ihre Forderung geltend machen (§ 1974 BGB);
  • Überschwerungseinrede gegenüber Vermächtnisnehmern oder Auflagenbegünstigten, wenn der Nachlass durch Vermächtnis oder Auflage überschuldet würde (§ 1992 BGB).

Eine allerdings nur vorläufige Haftungsbeschränkung kann der Erbe herbeiführen durch die

sowie der Miterbe durch die

Wann verliert der Erbe sein Recht zur Haf­tungs­be­schrän­kung?

Der Erbe haftet immer dann unbeschränkbar persönlich mit seinem eigenen Vermögen, sobald er sein Recht zur Haftungsbeschränkung verloren hat.

Der Erbe verliert sein Recht zur Haftungsbeschränkung

allen Nachlassgläubigern gegenüber, wenn er

  • eine gerichtlich gesetzte Inventarfrist verstreichen lässt,
  • eine Inventaruntreue begeht, indem er absichtlich unvollständige Angaben über die Nachlassgegenstände macht oder in Benachteiligungsabsicht nicht bestehende Nachlassverbindlichkeiten aufnimmt,
  • bei beantragter amtlicher Inventaraufnahme trotz Fristsetzung die Erteilung der erforderlichen Auskunft verweigert oder absichtlich erheblich verzögert;

einzelnen Nachlassgläubigern gegenüber, wenn er

  • sich weigert, die Richtigkeit des von ihm errichteten Inventars an Eides Statt zu versichern,
  • einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht hat in ein Urteil aufnehmen lassen.

Haftet der Erbe für die dem Erblasser geleistete Sozialhilfe, und kann er seine Haftung beschränken?

Der Erbe einer Person, die berechtigterweise Sozialhilfe erhalten hat, ist unter den Voraussetzungen des § 102 SGB XII verpflichtet, die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 übersteigen, zu erstatten. Dasselbe gilt für den Erben des vorverstorbenen Ehegatten der leistungsberechtigten Person für Leistungen, die nicht während eines Getrenntlebens erbracht wurden.
Die Ersatzpflicht gilt allerdings ausdrücklich nicht für Leistungen der „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ (§§ 41 ff. i.V.m. § 102 Abs. 5 SGB XII). Ebenso ausgenommen sind „Altfälle“ von vor dem 01.01.87 entstandene Kosten der Tuberkulosehilfe).

Die Ersatzpflicht des Erben ist Nachlassverbindlichkeit. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses (§ 102 Abs. 2 SGB XII).
Das SGB unterwirft die Haftung für geleistete Sozialhilfe somit einem anderen Haftungsregime als nach dem BGB und beschränkt von vornherein die Haftung des Erben auf den Wert des Vermögens zum Zeitpunkt des Erbfalls. Das bedeutet aber gleichzeitig auch:

Haftungsbeschrän­kungs­maßnahmen nach §§ 1975 ff. BGB sind bei §§ 102, 103 SGB XII aus­ge­schlos­sen!

Der Erbe haftet mit Nachlass und Eigenvermögen für die Forderung des Sozialhilfeträgers, der sogar ins Eigenvermögen vollstrecken kann, wenn vom Nachlass später nichts mehr übrig ist.

Da bestimmtes Einkommen und Vermögen des Sozialleistungsbeziehers lebzeitig „geschont“ wird, kann es durchaus möglich sein, dass auch ein Hilfebedürftiger eine ansehnliche Erbschaft hinterlässt. Diese Schonung entfällt mit dem Tod des Hilfebedürftigen und wird der Nachrang der Sozialhilfe beim Erben wiederhergestellt! Denn die Verschonungsvorschriften dienen lediglich dem Schutz des Hilfeberechtigten, nicht aber seinen Erben.

Zu unterscheiden von der (privilegierten) Haftung nach § 102 SGB XII für rechtmäßig gewährte Sozialleistung ist im Übrigen die Haftung des Erben für zu Unrecht erbrachte Leistungen nach §§ 103, 104 SGB XII, § 45 SGB X.

Beachte: Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 19.01.11, IV ZR 7/10, Rz. 27) ist die Ausschlagung einer Erbschaft auch dann nicht sittenwidrig, wenn sie der Vermeidung der Kostenersatzpflicht dient. Es bestehe keine Pflicht zu erben oder sonst etwas aus dem Nachlass anzunehmen.

(Zur Vertiefung sei auf das sehr lesenswerte Werk von Doering-Striening, Sozialhilferegress bei Erbfall und Schenkung, zerb verlag, Bonn, verwiesen!)

Wie haften Miterben?

Miterben haften für gemein­schaft­liche Nach­lass­ver­bind­lich­keiten ge­samt­schuld­ne­risch (§ 2058 BGB).
Dies gilt sowohl vor als auch nach der Auseinandersetzung (wenn nicht eine Ausnahme des § 2060 BGB vorliegt).

Gesamtschuldnerische Haftung bedeutet, dass ein Gläubiger die geschuldete Leistung nach seinem Belieben von jedem Schuldner ganz oder teilweise fordern kann – natürlich insgesamt nur einmal (§ 421 BGB). Der Gläubiger kann sich also aussuchen, wen er „in die Zange“ nimmt.

Typisches Beispiel: Der Erblasser hat seinen Sohn enterbt und die Schwester sowie die Tochter des Sohns zu seinen Erbinnen eingesetzt. Der Sohn hat damit einen Pflichtteilsanspruch. Dieser ist Nachlassverbindlichkeit, für den die Erbinnen als Gesamtschuldner haften.
Der Sohn kann somit den vollen Pflichtteil von seiner missliebigen Schwester allein fordern, obwohl im Innenverhältnis der Miterbinnen die Tochter für den Pflichtteil des Vaters allein haftet (§ 2320 BGB).

Bis zur Teilung des Nachlasses, also bis zur Auseinandersetzung, kann allerdings jeder Miterbe die Berichtigung der Nachlass­ver­bind­lich­keiten aus seinem Eigenvermögen verweigern (§ 2059 BGB).
Im Prozess muss sich der Miterbe dann jedoch die Beschränkung der Erbenhaftung im Urteil vorbehalten lassen (§ 780 ZPO).

Expertentipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:
Eine Erbengemeinschaft sollte immer erst auseinandergesetzt werden, wenn sicher ist, dass keine Nachlassverbindlichkeiten mehr bestehen. Andernfalls haftet jeder Miterbe unbeschränkbar mit seinem Eigenvermögen.
Wer unsicher ist, sollte vor der Teilung ein Aufgebotsverfahren durchführen, um so nach der Teilung zumindest nur noch mit seiner Erbquote, statt als Gesamtschuldner zu haften.

Wann verjährt der Ausgleichsanspruch unter Miterben?

Der Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern nach § 426 BGB verjährt einheitlich – also unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch – mit der Begründung der Gesamtschuld.

Mit der Reform des Erb- und Verjährungsrechts zum 01.01.2010 wurde die bisherige 30-jährige Verjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F.) durch die (kenntnisabhängige) Regelverjährung von drei Jahren ersetzt (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).

Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:
Es besteht dann kein Aus­gleichs­an­spruch bei Pflicht­teils­an­sprüchen, wenn ein Miterbe im Innenverhältnis entweder aufgrund Gesetzes (§ 2320 ff. BGB) oder Anordnung des Erblassers die Pflichtteilslast nicht zu tragen hat!

Weitere Ausführungen zur Miterbenhaftung, insbesondere prozessualer Art, sind sehr kompliziert, würden an dieser Stelle zu weit führen und unterbleiben daher.
Kontaktieren Sie bei Problemen bitte unbedingt einen Fachanwalt für Erbrecht!

Fachanwalt für Erbrecht - Ingo Lahn | Spezialist für Pflichtteilsrecht

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