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Der deutsche Erbschein

und das Europäische Nachlasszeugnis

Der Erbschein ist ein vom Nachlassgericht auf Antrag ausgestelltes amtliches Zeugnis, das eine oder mehrere Personen als Erben zur Zeit des Erbfalls ausweist und für den Rechtsverkehr feststellt, mit welcher Erbquote der Erbe den Erblasser beerbt hat und ggf. welchen Verfügungsbeschränkung er unterliegt.

Da Banken und Sparkassen inzwischen regelmäßig ein eröffnetes eigenhändiges Testament zum Nachweis des Erbrechts ausreichen lassen (müssen, s.u.), ist ein Erbschein heutzutage eigentlich nur noch zwingend erforderlich, wenn bei Nachlass-Immobilien das Grundbuch zu berichtigen ist oder die Rechtsnachfolge im Handelsregister eingetragen werden soll.

Die häufigsten Fragen zum Erbschein:

Der Erbschein in Frage und Antwort:

Wozu dient ein Erbschein (Funktion)?

Der Erbschein erfüllt zwei für die Sicherheit des Rechtsverkehrs wesentliche Funktionen:

Vermutungswirkungen des Erbscheins

Der Erbschein dient der Sicherheit im Rechtsverkehr. Denn einerseits wird gesetzlich vermutet (§ 2365 BGB), dass

  • dem im Erbschein als Erben Genannten das angegebene Erbrecht zusteht (positive Vermutung) und
  • für den Erben andere als die im Erbschein angegebenen Verfügungsbeschränkungen nicht bestehen (negative Vermutung).

Öffentlicher Glauben des Erbscheins

Wichtigste Funktion des Erbscheins ist, dass er einen gutgläubigen Erwerb von einem falschen, aber im Erbschein angegebenen Erben ermöglicht und auch an einen solchen mit befreiender Wirkung geleistet werden kann.
Denn § 2366 BGB ordnet an, dass zugunsten eines gutgläubigen Dritten, der von einem als Erben Bezeichneten durch Rechtsgeschäft einen Erbschaftsgegenstand, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder die Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht erwirbt, der Inhalt des Erbscheins als richtig gilt (öffentlicher Glaube des Erbscheins).
§ 2367 BGB erweitert diese Wirkung auf Leistungen, die an einen Erbscheinserben erbracht werden.

Beispiel: Hat jemand von dem im Erbschein ausgewiesenen Alleinerben das Auto des Erblassers gekauft, dann muss er dieses nicht wieder herausgeben, sollte sich später herausstellen, dass in Wahrheit jemand anders Erbe geworden war.

Welche Arten von Erbscheinen können beantragt werden?

Ein Erbschein kann als

  • Alleinerbschein für den Alleinerben,
  • gemeinschaftlicher Erbschein für alle Miterben,
  • Teilerbschein über den Erbteil eines Miterben oder
  • gemeinschaftlicher Teilerbschein für mehrere Miterben und sogar
  • gegenständlich beschränkter Erbschein erteilt werden, wenn sich im Nachlass Auslandsvermögen befindet. Hier kann das Nachlassgericht einen auf das in Deutschland befindliche Vermögen beschränkten Erbschein erteilen.

Beachte:  Einen kostenprivilegierten Erbschein lediglich zur Grundbuchberichtigung gibt es seit der Reform von 2013 nicht mehr!

Wer kann einen Erbschein beantragen?

Antragsberechtigt sind

  • der oder die Erben,
  • der Testamentsvollstrecker,
  • Nachlassverwalter,
  • Nachlassinsolvenzverwalter,
  • der Insolvenzverwalter bei Insolvenz eines Erben,
  • der Abwesenheitspfleger,
  • ggf. der Betreuer und
  • sogar jeder Gläubiger des Erben, der über einen vollstreckbaren Titel verfügt.

Gegen eine Zurückweisung des Antrags durch das Nachlassgericht kann Beschwerde eingelegt werden.

Nicht antragsberechtigt sind

  • Nachlassgläubiger wie Vermächtnisnehmer, Auflagen- und Pflichtteilsberechtigte,
  • Ersatzerben vor Eintritt des Ersatzerbfalls,
  • Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls und
  • der Nachlasspfleger.

Wo beantrage ich einen Erbschein?

Zuständig für die Erteilung eines Erbscheins ist grundsätzlich das Nachlassgericht (in Baden-Württemberg bis 2018 noch die Notare), in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, war er aber Deutscher oder befinden sich Nachlassgegenstände in Deutschland, ist zentral das Amtsgericht in Berlin-Schöneberg zuständig.

Ob der Erbe einen Erbscheinsantrag auch im Wege der Rechtshilfe bei dem Nachlassgericht im Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthalts mit der Bitte um Weiterleitung an das zuständige Nachlassgericht stellen kann, ist im FamFG nicht ausdrücklich geregelt, müsste aber weiterhin möglich sein.

Wie beantrage ich einen Erbschein?

Der Erbscheinsantrag ist formlos möglich und kann zu Protokoll der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts erklärt werden.

Es ist aber auch möglich, den Antrag bei einem Notar in Deutschland aufnehmen und beurkunden zu lassen.
Ein Erbscheinsantrag kann ferner durch einen Rechtsanwalt oder sonst Bevollmächtigten gestellt werden.

Allerdings muss der Antrag einen bestimmten Inhalt haben und müssen verschiedene Unterlagen vorgelegt werden (dazu nachstehend).

Wegen der grundsätzlich abzugebenden eidesstattlichen Versicherung ist eine Niederschrift vor dem Nachlassgericht oder einem Notar zweckmäßig.

Welche Angaben und Unterlagen sind für den Erbschein erforderlich?

Der Erbscheinsantrag ist für das Nachlassgericht bindend; es darf inhaltlich nicht vom Antrag abweichen. Bei unklarer Rechtslage ist die Stellung von Haupt- und Hilfsanträgen daher zulässig und sinnvoll.

Der Erbscheinsantrag muss folgende Angaben enthalten:

bei gesetzlicher Erbfolge

  • den Zeitpunkt des Todes des Erblassers
    (Sterbeurkunde vorlegen!),
  • den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit des Erblassers,
  • das Verwandtschaftsverhältnis, auf dem das Erbrecht des Antragstellers beruht
    (Personalausweis, Familienstammbuch / Geburtsurkunden, ggf. Adoptionsbeschluss usw. vorlegen!),
  • bei Ehegattenerbrecht: Tag der Heirat, Erklärung, dass die Ehe zum Todeszeitpunkt noch bestand sowie Angabe des Güterstands
    (Heiratsurkunde, evtl. Ehevertrag, ggf. Scheidungsbeschluss vorlegen!),
  • ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde,
  • ob und welche Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind,
  • ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist,
  • dass der Antragsteller die Erbschaft angenommen hat,
  • die Größe seines Erbteils,
  • ob und in welcher Weise eine Person weggefallen ist, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde;

bei Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen

  • den Zeitpunkt des Todes des Erblassers
    (Sterbeurkunde vorlegen!),
  • den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit des Erblassers,
  • die Bezeichnung der Verfügung von Todes wegen, auf der das Erbrecht des Erblassers beruht
    (eröffnete Verfügung vorlegen, wenn nicht das Nachlassgericht im Besitz der Urschrift ist!),
  • ob und welche sonstigen Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind,
  • ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist,
  • dass der Antragsteller die Erbschaft angenommen hat,
  • die Größe seines Erbteils,
  • ob und in welcher Weise eine Person weggefallen ist, s.o.

Muss beim Erbscheinsantrag eine eidesstattliche Versicherung abgegeben werden?

Der Erbscheinsantrag ist zwar formlos möglich. Allerdings verlangen die Nachlassgerichte vom Antragsteller regelmäßig, dass er an Eides Statt versichert, dass ihm nichts bekannt ist, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht.
Diese eidesstattliche Versicherung ist entweder vor dem Nachlassgericht oder einem Notar abzugeben.

Ausnahmsweise kann das Nachlassgericht dem Antragsteller die Versicherung erlassen, wenn es sie für nicht erforderlich hält.

Tipp: Klären Sie vor Beantragung des Erbscheins mit dem Nachlassgericht – das ist bei kleineren Nachlassgerichten noch möglich -, ob und unter welchen Voraussetzungen ggf. auf die eidesstattliche Versicherung verzichtet werden kann, um den Antrag einfach und möglichst kostengünstig stellen zu können.

Welche Kosten entstehen für einen Erbschein?

Das durch das II. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz eingeführte GNotKG hat zu einer „versteckten“, aber deutlichen Verteuerung des Erbscheinverfahrens geführt.
Die Gerichts-, Notar- und Anwaltskosten richten sich nach der Höhe des sog. Geschäftswertes.

Der Geschäftswert im Erbscheinsverfahren

Nach § 40 Abs. 1 S. 1 GNotKG bestimmt sich der Geschäftswert, nach dem sich die Gebühren richten, nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Nachträgliche Wertveränderungen bleiben außer Betracht.
Abzugsfähig vom Aktivnachlass sind nur noch die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten, die sog. Erblasserschulden, nicht mehr dagegen die sog. Erbfallschulden, wie z.B. die Beerdigungskosten, Pflichtteile oder Vermächtnisse.
Ausnahmen finden sich in den Fällen des § 40 Abs. 2 bis 4 GNotKG.

Gerichtskosten:
Für die Erteilung eines Erbscheins, einschließlich des vorausgegangenen Verfahrens, fallen grundsätzlich zwei volle Gebühren nach Tabelle B der Anlage 2 zum GNotKG an, nämlich

  • eine volle Gerichtsgebühr für die Erteilung des Erbscheins, einschließlich des vorausgegangen Verfahrens (Nr. 12210 KV-GNotKG; Link folgen und scrollen), und
  • eine volle Gebühr für die Beurkundung der grundsätzlich abzugebenden eidesstattlichen Versicherung (Vorb. 1 Abs. 2 KV i.V.m. Nr. 23300 KV-GNotKG).

Folglich ist die aus Tabelle B ersichtliche Tabellengebühr x 2 zu nehmen.
Bei einem Nachlasswert von z.B. 100.000 € ergeben sich somit Gebühren i.H.v. 546,00 €, bei einem Wert von 300.000 € schon 1.270,00 €.
Hinzu kommen noch Kosten für Auslagen.

Kostenschuldner ist stets der Antragsteller.

Notarkosten:
Wird der Erbschein über einen Notar beantragt, fallen dieselben Kosten an – allerdings beim Notar zuzüglich Umsatzsteuer!
Im einzelnen erhält der Notar eine Gebühr für die Eidesstattliche Versicherung (Nr. 23300 KV-GNotKG; nach Vorb. 2.3.3. Abs. 2 KV wird der Erbscheinsantrag an das Nachlassgericht mit dieser Gebühr abgegolten) und fällt beim Nachlassgericht die Gebühr nach Nr. 12210 KV für die Erteilung des Erbscheins an.

Rechtsanwaltskosten:
Wird ein Rechtsanwalt für den Antrag eingeschaltet, und beschränkt sich seine Tätigkeit auf die Antragstellung mit (kurzer) Begründung oder die Entgegennahme einer Entscheidung, fällt eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 3 VV-RVG an.
Bei weiterer Tätigkeit, insbesondere wenn das Verfahren streitig wird, entsteht eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG.
Kommt es zu einem Gerichtstermin, erhält der Anwalt zusätzlich noch eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG.
Im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht entstehen die Gebühren nach Nr. 3200 ff. VV-RVG.

Die Gebühren eines Rechtsanwaltes, der einen Miterben im Erbscheinserteilungsverfahren vertritt, sind grundsätzlich nach dem Wert des von dem Vertretenen beanspruchten Erbteils zu berechnen (BGH Beschl. v. 30.9.1968 – III ZB 11/67, BeckRS 2008, 24505 = NJW 1968, 2334; OLG Düsseldorf BeckRS 2018, 3737, hierzu Schneider ErbR 2018, 364). Nach anderer Auffassung kommt es auf das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an, also die Quote, die er über seinen unstreitigen Anteil hinaus beansprucht (OLG Bamberg ZEV 2021, 647); OLG Bremen BeckRS 2012, 4419).

Beispiel: A beantragt für sich einen Alleinerbschein. B tritt dem entgegen und beantragt einen gemeinschaftlichen Erbschein, der A und B als Erben zu je hälftigem Anteil ausweisen soll. Der Nachlass hat einen Wert von 200.000 €.
Der Gegenstandswert für den Anwalt von A beträgt 200.000 €, der für den Anwalt von B dagegen „nur“ 100.000 €. Nach Auffassung der OLGe Bamberg und Bremen beträgt der Gegenstandswert bei beiden Anwälten 100.000 €.

Wann empfiehlt sich ein Antrag auf Hinzuziehung als Beteiligter im Erbscheinsverfahren?

Haben Sie nicht selbst den Erbschein beantragt, rate ich immer zu einem solchen Hinzuziehungsantrag.
Nur mit einem solchen Antrag stellen Sie sicher, dass Ihnen rechtliches Gehör gewährt wird und Sie über den Gang des Verfahrens informiert werden.

Beteiligter im Erbscheinsverfahren ist zunächst nur der Antragsteller.
Aber auch folgende Personen können auf Antrag Verfahrensbeteiligte werden (Kann-Beteiligte) und sind zum Verfahren hinzuzuziehen (§§ 345 Abs. 1, 7 Abs. 4 FamFG):

  1. die gesetzlichen Erben,
  2. diejenigen, die nach dem Inhalt einer vorliegenden Verfügung von Todes wegen als Erben in Betracht kommen,
  3. die Gegner des Antragstellers, wenn ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist,
  4. diejenigen, die im Fall der Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen Erbe sein würden sowie
  5. alle Übrigen, deren Recht am Nachlass durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird.

Dabei fällt unter Ziff. 2 bereits jeder, dessen mögliches Erbrecht „nicht von vorneherein gänzlich fernliegend ist; ob ein Erbrecht tatsächlich besteht, ist erst nach förmlicher Beteiligung am Verfahren abschließend zu klären“ (OLG München, Beschl. v. 08.11.2016, 31 Wx 254/16).

Können Banken und Sparkassen immer einen Erbschein verlangen?

Banken und Sparkassen verlangten früher aufgrund ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vor Auszahlungen oder einer Kontoumschreibung auf den Erben regelmäßig die Vorlage eines Erbscheins.

Der Bundesgerichtshof hat jedoch mit Urteil vom 08.10.13 (XI ZR 401/12) inzwischen die Klausel Nr. 5 der AGB der Sparkassen (über eine gleichlautende AGB verfügten auch die meisten Banken), nach der diese zum Nachweis der Berechtigung vom Erben einen Erbschein, ein Testamentsvollstreckerzeugnis oder ein ähnliches gerichtliches Zeugnis verlangen konnte, für unwirksam erklärt.

Während der Bundesgerichtshof (Urt. v. 07.06.05, XI ZR 311/04) zunächst der Auffassung war, dass dem Erben auch ohne Vorlage eines Erbscheins Zugriff auf das Konto des Erblassers zu gewähren sei, wenn er ein notarielles Testament oder einen notariellen Erbvertrag vorlegt, aus dem sich seine Legitimation als Erbe ergibt, hat er nun sogar entschieden (BGH, Urt. v. 05.04.16, XI ZR 440/15), dass der Erbe sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen kann, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.

Ein Notar, der zur Beantragung eines nicht erforderlichen Erbscheins rät, macht sich wegen falscher Sachbehandlung schadensersatzpflichtig (LG Münster, Beschl. v. 15.05.17, 5 OH 42/16). Dies dürfte für anwaltliche Berater entsprechend gelten.

Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Sollten Sie Erbe kraft eines eröffneten Erbvertrags, notariellen oder eigenhändigen Testaments sein, und sollte sich die Bank oder Sparkasse des Erblassers weigern, Ihnen Zugriff auf das Konto des Erblassers zu ermöglichen oder dieses auf Sie umzuschreiben, dann setze ich Ihre Rechte gerne gegenüber der Bank oder Sparkasse durch!
Regelmäßig hat die Bank dann sogar die Kosten meiner anwaltlichen Inanspruchnahme zu tragen.

Brauche ich stets einen Erbschein zur Grundbuchberichtigung?

Befinden sich Immobilien im Nachlass, ist das Grundbuch mit dem Erbfall unrichtig geworden, weil der wahre Eigentümer, der Erbe, dort nicht verzeichnet ist, sondern immer noch der Erblasser.
Daher muss das Grundbuch berichtigt werden.

Für die Grundbuchberichtigung verlangt das Grundbuchamt grundsätzlich die Vorlage eines Erbscheins (§ 35 GBO).

Beachte: Einen für die Grundbuchberichtigung auf das Immobilienvermögen beschränkten und kostenprivilegierten Erbschein gibt es seit Einführung des GNotKG ab dem 01.08.13 nicht mehr!

Ein Erbschein ist nur dann entbehrlich, wenn sich die Erbfolge zweifelsfrei aus einem öffentlichen (notariellen) Testament oder einem notariellen Erbvertrag ergibt. Dann ersetzt das notarielle Testament bzw. der Erbvertrag zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts den Erbschein.

Ausnahmen:
Enthält dagegen eine notarielle Verfügung

  • Verwirkungsklauseln (z.B. Pflichtteilsstraf- oder Wiederverheiratungsklauseln),

erfordert der Nachweis der Erbfolge in der Regel doch die Vorlage eines Erbscheins, da der Nichteintritt der Verwirkung (also, dass der Pflichtteil nicht geltend gemacht oder nicht erneut geheiratet wurde) eben nicht durch öffentliche Urkunde nachgewiesen werden kann (BGH, Beschl. v. 02.06.16, V ZB 3/14; OLG Frankfurt, Beschl. v. 20.10.11, 20 W 548/10).

Auch bedarf es trotz Vorliegens eines notariellen Testaments dann eines Erbscheins, wenn die

  • Erbfolge auf einer Ausschlagung beruht,

(OLG Hamm, ErbR 2017, 584; OLG Stuttgart, NJW-RR 2018, 902). Zwar kann das GBA anhand der Ausschlagungsurkunde (Protokoll) prüfen, ob die Ausschlagungserklärung form- und fristgerecht erfolgt ist; es kann aber nicht prüfen, ob die Erklärung auch materiell wirksam ist, da der Ausschlagende zuvor ausdrücklich oder konkludent die Erbschaft angenommen haben könnte mit der Folge, dass er dann nicht mehr ausschlagen kann (§ 1943 BGB).

Beachte: Im Grundbuchverfahren ist die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins bis zu dessen Einziehung oder Kraftloserklärung vom Grundbuchamt (auch dann) zu beachten, wenn (der Erbschein zwar objektiv unrichtig ist, aber) dem Grundbuchamt nicht neue, vom Nachlassgericht nicht berücksichtigte Tatsachen bekannt werden, die die Unrichtigkeit des Erbscheins erweisen und seine Einziehung erwarten lassen (OLG München, Beschl. v. 17.10.16, 34 Wx 252/16).

Was ist zu tun, wenn sich ein Erbschein als unrichtig herausstellt?

Erweist sich nach Erteilung eines Erbscheins später, dass dieser unrichtig ist, etwa weil ein neues Testament oder ein weiterer Erbe aufgetaucht ist oder ein Erbe ausgeschlagen oder abgeschichtet hat, so hat ihn das Nachlassgericht einzuziehen.

Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos (§ 2361 S. 2 BGB).

Für die Einziehung oder Kraftloserklärung eines Erbscheins gibt es keine zeitliche Grenze, d.h. ein unrichtiger Erbschein kann auch noch nach Jahrzehnten eingezogen werden.

Kann der Erbschein nicht sofort erlangt werden, so hat ihn das Nachlassgericht durch Beschluss für kraftlos zu erklären (§ 353 FamFG).
Einen Monat nach öffentlicher Zustellung des Beschlusses wird die Kraftloserklärung wirksam.

Wie viel kostet die Einziehung oder Kraftloserklärung eines Erbscheins?

Gerichtskosten:
Für das Verfahren vor dem Nachlassgericht fällt nach Nr. 12215 KV-GNotKG eine Gebühr i.H.v. 0,5 nach Tabelle B an – höchstens jedoch 400,00 €. Maßgeblich ist der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls, abzüglich der vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten.

Rechtsanwaltskosten:
Hinsichtlich der Kosten anwaltlicher Vertretung gilt das oben zur Frage „Wie viel kostet ein Erbschein?“ Ausgeführte entsprechend.

Was ist ein Europäisches Nachlasszeugnis?

Mit Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung wurde für Erbfälle mit EU-Auslandsbezug ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt.

In seinen Wirkungen ist es mit dem deutschen Erbschein weitgehend vergleichbar. Es hat Gutglaubenswirkung und dient als Grundlage für die Eintragung der Erben in einschlägige Register der Mitgliedsstaaten.

Mit dem ENZ können Erben, Testamentsvollstrecker und sogar Vermächtnisnehmer ihre Rechtsstellung nachweisen. Sogar einzelne Nachlassgegenstände können in das ENZ aufgenommen werden.

Die Verwendung des Nachlasszeugnisses ist nicht verpflichtend (Art. 62 Abs. 2 EU-ErbVO).
Vielmehr gelten auch die nationalen Erbnachweise, wie z.B. der deutsche Erbschein, in den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten und werden von ihnen anerkannt.

Die Wirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses ist allerdings auf 6 Monate befristet, aber verlängerbar.

Für die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses fallen dieselben Kosten an wie für die Erteilung des Erbscheins. Werden Europäisches Nachlasszeugnis und Erbschein beantragt, fallen die doppelten Kosten an.

Da einerseits die Wirkung des Europäischen Nachlasszeugnisses auf sechs Monate beschränkt ist und andererseits der deutsche Erbschein nun auch in den teilnehmenden EU-Staaten anerkannt wird, dürfte der Nutzen des Europäischen Nachlasszeugnisses für Deutsche eher gering bleiben…

Fachanwalt für Erbrecht - Ingo Lahn | Spezialist für Pflichtteilsrecht

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