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Pflichtteil einfordern und durchsetzen

Für die Durchsetzung des Pflichtteils muss der Berechtigte selbst sorgen!

Der Pflichtteil ist ein schuldrechtlicher Zahlungsanspruch, den der Pflichtteilsberechtigte selbst beim Erben einfordern und notfalls gerichtlich durchsetzen muss.
Denn entgegen einer weit verbreiteten Fehlvorstellung kümmert sich das Nachlassgericht nicht um die Erfüllung und Durchsetzung des Pflichtteils, da es jedem Pflichtteilsberechtigten absolut frei steht, ob er Ansprüche gegen seine engsten Familienangehörigen geltend machen will oder nicht. Und solange der Pflichtteil nicht vertraglich anerkannt oder eingeklagt wurde, bleiben auch Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten außen vor (§ 852 ZPO).

Veranlasst der Pflichtteilsberechtigte nichts oder zu spät, kann der Pflichtteilsanspruch verjähren und der Berechtigte „leer“ ausgehen.

Die häufigsten Fragen bei der Durchsetzung des Pflichtteils:

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Antworten zur Durchsetzung des Pflichtteils:

Wie erhalte ich Informationen über Bestand und Wert des Nachlasses?

Da der Pflichtteilsberechtigte oftmals nur wenig bis keinerlei Kenntnis von der Zusammensetzung und dem Wert des Nachlasses des Erblassers hat, hat der Gesetzgeber dem pflichtteilsberechtigten Nichterben mit § 2314 BGB relativ umfangreiche vorbereitende Hilfsansprüche an die Hand gegeben.

Beachte: Einem Miterben oder Nacherben steht der Anspruch aus § 2314 BGB nicht zu!
Dagegen stehen einem pflichtteilsberechtigten Nicht(mehr)erben nach Ausschlagung seines Erbteils gem. § 2306 BGB sehr wohl die Ansprüche aus § 2314 BGB zu (BGH, Urt. v. 30.11.22 – IV ZR 60/22)


So hat der pflichtteilsberechtigte Nichterbe nach § 2314 BGB gegen den oder die Erben einen Anspruch auf

  • Auskunftserteilung, indem der Erbe ein von ihm selbst zu erteilendes Verzeichnis über den Bestand des Nachlasses (privates oder privatschriftliches Nachlassverzeichnis) vorlegen muss,
  • Auskunftserteilung, indem der Erbe ein durch einen Notar aufzunehmendes Bestandsverzeichnis (sog. notarielles Nachlassverzeichnis) vorlegen muss,
  • Zuziehung seiner Person oder eines Vertreters/Beistands bei der Aufnahme des privaten oder notariellen Nachlassverzeichnisses,
  • Versicherung an Eides Statt durch den Erben, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde (§ 260 Abs. 2 BGB), sowie
  • Ermittlung des Wertes einzelner Nachlassgegenstände durch Einholung und Vorlage entsprechender Sachverständigengutachten (Wertermittlungsanspruch).

Der plichtteilsberechtigte Nichterbe kann nach gefestigter Rechtsprechung das privatschriftliche und das notarielle Nachlassverzeichnis sowohl nach- als auch nebeneinander (kumulativ) verlangen.
Der Wertermittlungsanspruch ist von dem Auskunftsanspruch unabhängig und gesondert geltend zu machen. Er setzt voraus, dass der Gegenstand, dessen Wert ermittelt werden soll, unstreitig zum Nachlass gehört.

Beachte:  Der Pflichtteilsberechtigte sollte den Erben durch eine einer Stufenklage gleichkommenden Mahnung (sog. Stufenmahnung) in Verzug setzen, indem er unter Fristsetzung den Erben zur Auskunftserteilung, ggf. Wertermittlung, und Zahlung des sich nach Auskunft und Wertermittlung zu beziffernden Betrags auffordert. Ohne eine solche Frist zu einer zunächst noch unbezifferten Zahlung kommt der Erbe nicht in Verzug und schuldet keinen Verzugsschadensersatz (wie Zinsen oder ggf.. Anwaltskosten)!

Welche Auskünfte muss ein Nachlassverzeichnis enthalten? – Muster-Nachlassverzeichnis

Der wichtigste Hilfsanspruch des Pflichtteilsberechtigten ist der Auskunftsanspruch gegen den Erben.
So kann er Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines aus sich heraus verständlichen, systematisch nach Aktiva und Passiva geordneten Nachlassverzeichnisses zum Stichtag (Todestag) verlangen.

Der Umfang der Auskunftspflicht erstreckt sich dabei auf alle Tatsachen, die für eine abschließende Berechnung des Pflichtteilsanspruchs erforderlich sind.

Auskunft über den realen Nachlass

Das sind zum einen die beim Erbfall vorhandenen Gegenstände und Verbindlichkeiten des Nachlasses unter Einschluss auch der nur bedingten, zweifelhaften, unsicheren und ungewissen Rechte und Verbindlichkeiten i.S.d. § 2313 BGB.
Dabei muss das Nachlassverzeichnis keine Wertangaben enthalten, wohl aber eine so genaue Beschreibung der Gegenstände und ihrer wertbildenden Faktoren, dass der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt wird, die Werte selbst zu schätzen.

Auskunft über den fiktiven Nachlass

Zum anderen hat der Erbe auf Verlangen auch Auskunft über den sog. „fiktiven Nachlass“ zu erteilen, also über solche Gegenstände, die nur deshalb nicht mehr zum (realen) Nachlass gehören, weil sie bereits zu Lebzeiten des Erblassers (teil-) unentgeltlich aus seinem Vermögen ausgeschieden sind.
Damit hat die Auskunft über den fiktiven Nachlass nicht nur alle lebzeitigen Schenkungen im Anwendungsbereich des § 2325 BGB (und damit auch „unbenannte Zuwendungen“ unter Eheleuten, sog. „gemischte Schenkungen“ und Zuwendungen auf den Todesfall, z.B. Bezugsrechte bei Lebensversicherungen) zu umfassen, sondern auch alle anrechnungs- und ausgleichungspflichtigen Zuwendungen i.S.d. 2315, 2316 BGB.

Nach bislang herrschender Auffassung hatte der Pflichtteilsberechtigte selbst Anstandsschenkungen (§ 2330 BGB) zu beauskunften, wenn Pflichtteilsergänzung verlangt wird (so noch ausdrücklich BGH, NJW 1984, 487).
Mit Urteil vom 13.04.2011 hat der BGH (IV ZR 204/09) jedoch (überraschend und von der Literatur immer noch weitgehend unbeachtet) den dortigen Beklagten lediglich

„in Abweisung des Auskunftsantrags im Übrigen verurteilt, dem Kläger … Auskunft über den Nachlass … und alle dem Beklagten bekannten unentgeltlichen Zuwendungen … zu erteilen, soweit diese über die in der Familie üblichen Anstandsschenkungen hinausgingen…“

In seiner Urteilsbegründung (Rn. 40) führt der BGH zu der Teilabweisung aus, dass dem Auskunftsantrag deshalb nicht in vollem Umfang entsprochen werden konnte, weil die Auskunftsverpflichtung nur nach § 2325 BGB ergänzungspflichtige Schenkungen betreffe, so dass dem insofern unbeschränkt verfolgten Begehren teilweise nicht stattzugeben war.

Muster eines Nachlassverzeichnisses

Nachstehendes Muster ist lediglich ein Leitfaden und dient als Gedächtnisstütze. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Das Nachlassverzeichnis hat das Vermögen per Todestag (den Stichtag) zu beauskunften.

I. Aktiva
1. Geldvermögen
  Guthaben bei der …-Bank, Kto.-Nr. …

EUR

  Guthaben bei der Sparkasse …, Kto.-Nr. …

EUR

  Sparbuch bei …, Kto.-Nr. …

EUR

  Bargeld

EUR

  Wertpapier-Depot bei …, Kto.-Nr. …

    EUR

  Zwischensumme

EUR

2. Immobilienvermögen
  unbebautes Grundstück …-Str., GB Blatt …, Flur …, Flurstück

EUR

  bebautes Grundstück …

EUR

  Eigentumswohnung …

     EUR

  Zwischensumme

EUR

3. Firmen / Gesellschaftsbeteiligungen
  … % Anteil an der …-GmbH

EUR

  Einzelunternehmen …

EUR

  (sonstige)

    EUR

  Zwischensumme

EUR

4. Wertgegenstände
  Bilder …

EUR

  Schmuck …

EUR

  Briefmarkensammlung

EUR

  Münzsammlung

EUR

  Gold, Silber o.ä. …

EUR

  sonstige Kunstgegenstände

EUR

  Antiquitäten

    EUR

  Zwischensumme

EUR

5. sonstige Forderungen
  Steuererstattung gem. Bescheid …

EUR

  Darlehensrückzahlungsanspruch …

EUR

  Erstattung Krankenkasse / Beihilfe

EUR

  (sonstiges)

    EUR

  Zwischensumme

EUR

6. Hausrat
  Wohnzimmereinrichtung, bestehend aus …

EUR

  Schlafzimmereinrichtung u.s.f.

EUR

  PKW der Marke …, Bauj. …, Laufleistung …

     EUR

  Zwischensumme

EUR

     
Aktiva insgesamt

EUR

     
II. Passiva
1. Erblasserschulden
  Verbindlichkeiten bei …

EUR

  Steuerverbindlichkeit gem. Bescheid …

EUR

  Darlehensschuld bei …

EUR

  Arzt- / Medikamentenrechnungen

EUR

  Zugewinnausgleichsanspruch von …

EUR

  Unterhaltsforderungen

EUR

  (sonstige)

    EUR

  Zwischensumme

EUR

2. Erbfallschulden
  Beerdigungskosten

EUR

  Grabstätte, Grabstein

EUR

  sonstige Kosten Beerdigung (Blumen, Speisen)

EUR

  Kosten der Wertermittlung des Nachlasses (z.B. Sachverständige)

EUR

  Kosten des Nachlassverzeichnisses

EUR

  (sonstige Kosten)

    EUR

  Zwischensumme

EUR

     
Passiva gesamt

EUR

     
Realer Netto-Nachlass (Aktiva ./. Passiva)

    EUR

     
III. Fiktiver Nachlass – Schenkungen, Zuwendungen des Erblassers / Verträge zugunsten Dritter etc.
  Ausstattung an XY am (Datum!)

EUR

  Schenkung an YZ am …

EUR

  Lebensversicherung …, bezugsberechtigt (Name), Rückkaufswert:

EUR

  (sonstiges)

    EUR

     
Fiktiver Nachlass gesamt

    EUR

     

Am Ende des Verzeichnisses geben Sie Ort und Datum der Erstellung an und unterschreiben das Verzeichnis.

Hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Belege zum Nachlassverzeichnis?

Der Auskunftsanspruch nach §§ 2314, 260 BGB gewährt dem Pflichtteilsberechtigten nach absolut h.M. in Rspr. und Lit. grundsätzlich keinen Anspruch auf Rechnungslegung, Nachweise oder sonstige Belege, wie z.B. Urkunden, Konto- oder Grundbuchauszüge, Mitteilungen der Banken an das Erbschaftsteuerfinanzamt, Verträge etc. (OLG München NJW-RR 2021, 1376; OLG Düsseldorf ZEV 2019, 90; OLG Koblenz BeckRS 2012, 20029 = MDR 2012, 1101).

Ausnahmen billigt die Rechtsprechung zu bei

  • vermeintlichen Zuwendungen und gemischten Schenkungen; hier sind grds. Verträge vorzulegen, da es für die rechtliche Bewertung auf Details ankommt;
  • Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen; hier sind zur Unternehmensbewertung die Geschäftsunterlagen der letzten drei bzw. fünf Jahre vorzulegen.

Empfehlung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Ich rate dem auskunftsverpflichteten Erben im Sinne größtmöglicher Transparenz regelmäßig dazu, seinem Nachlassverzeichnis freiwillig  umfassend Belege beizufügen. Dies ist vertrauensbildend, kann Misstrauen beseitigen und fördert häufig eine schnelle und einvernehmliche Erledigung der Angelegenheit.
Außerdem kann so regelmäßig vermieden werden, dass der Pflichtteilsberechtigte auf Kosten des Nachlasses ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangt, um so „durch die Hintertür“ die gewünschten Belege zu erhalten.

Welche Anforderungen sind an ein notarielles Nachlassverzeichnis zu stellen?

Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass ihm der Erbe ein stichtagsbezogenes, notarielles Nachlassverzeichnis, also ein durch einen Notar aufgenommenes Verzeichnis, vorlegt, selbst wenn der Erbe bereits privatschriftlich Auskunft erteilt hat.

Denn nach ständiger Rechtsprechung bietet ein solches Verzeichnis die größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit.
Ein durch einen Notar aufgenommenes Nachlassverzeichnis genügt den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB nämlich u.a. nur, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst ermittelt hat und zum Ausdruck bringt, dass er für den Inhalt des Verzeichnisses die Verantwortung übernimmt (BGH, Beschl. v. 13.09.18, I ZB 109/17; OLG Rostock, ZEV 2009, 396; OLG Saarbrücken, ZEV 2010, 416).

Vorteil  dieser Vorgehensweise ist u.a., dass der Notar seinem Nachlassverzeichnis regelmäßig Belegkopien beifügt. So kommt der Pflichtteilsberechtigte über Umwege dann doch an Belege.

Nach zahlreichen obergerichtlichen Entscheidungen hat sogar das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 25.04.2016, 1 BvR 2423/14) zu den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis Stellung genommen.
Dies geschah zwar eher beiläufig, da die eingelegte Verfassungsbeschwerde mangels grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung nicht angenommen wurde; das BVerfG billigte aber folgende Grundsätze (in der Reihenfolge des Beschlusses):

  • Die Auskunftspflicht des § 2314 BGB ist auf die Weitergabe von Wissen gerichtet, das der Verpflichtete hat oder sich verschaffen muss.
  • Das notarielle Nachlassverzeichnis nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis des Erben.
  • Das notarielle Nachlassverzeichnis ist vom Notar selbst zu erstellen und darf nicht lediglich die Erklärungen des Erben beurkunden.
  • Bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses ist der Notar zur Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen berechtigt und verpflichtet.
  • Der Notar muss durch eine Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, für den Inhalt verantwortlich zu sein.
  • Ein notarielles Verzeichnis, das nicht eine eigenständige Feststellung des Notars dazu enthält, dass weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden und weitere Verbindlichkeiten nicht festzustellen sind, erfüllt die Anforderungen nicht.
  • Bei Vorliegen von Anhaltspunkten [Anm.: z.B. von Schenkungen oder Vermögensverschiebungen] liegt es nahe, Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge und sonstigen Bankunterlagen für einen Zehn-Jahres-Zeitraum zu nehmen oder eine Vollmacht des Erben für entsprechende Anfragen bei Banken einzuholen. Lt. einem Zwangsgeldbeschluss des OLG Stuttgart v. 26.01.16, 19 W 78/15, ist die Einholung von Kontoauszügen auch bei hierfür von den Banken berechneten Kosten von 1.500 € nicht unzumutbar und unverhältnismäßig!

Nunmehr hat auch der Bundesgerichtshof (Beschl. v. 13.09.18, I ZB 109/17 und Urt. v. 20.05.20, IV ZR 193/19) konkretisiert, dass der Notar bei der Ermittlung des Nachlassbestands diejenigen Nachforschungen anzustellen hat, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers, also des Pflichtteilsberechtigten, für erforderlich halten würde. Dabei reichen die Nachforschungspflichten des Notars umso weiter, je konkreter Hinweise des Pflichtteilsberechtigten auf pflichtteilsrelevante Aspekte sind oder je mehr sich solche aus vom Erben vorgelegten Unterlagen ergeben (OLG Celle, Beschl. v. 25.03.2021 – 6 U 74/20, ErbR 2021, 597 mAnm Roth, NJW-Spezial 2021, 264).

Instruktiv s. insb. auch den kritischen Aufsatz von Weidlich, ZEV 2017, 241

Gibt es eine Frist zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses?

Eine Frist zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses sieht das Gesetz nicht vor.
Der Auskunftsschuldner (der Erbe) ist aber verpflichtet, auf eine zeitnahe Erledigung mit Nachdruck hinzuwirken und bei Erfolglosigkeit dieses Bestrebens gegebenenfalls Rechtsbehelfe gegen den Notar zu ergreifen oder einen anderen Notar zu beauftragen (OLG Düsseldorf v. 31.10.16, I-7 W 67/16, OLG Stuttgart v. 16.02.15, 19 W 67/14).

In seiner Besprechung des Beschlusses des OLG Stuttgart, aaO, hält Hölscher (ZErb 2014, 175, 177) eine dem Auskunftspflichtigen gesetzte Frist von 6 – 8 Wochen für angemessen.
Jeder im Erb- und Pflichtteilsrecht tätige Anwalt wird aber wissen, dass eine solche Frist in der Praxis vollkommen illusorisch ist – jedenfalls in Ballungszentren und seitdem die Rechtsprechung den Notaren die Prüfung von Kontoauszügen der letzten 10 Jahre „auferlegt“ hat…
Das OLG Düsseldorf hat im Rahmen einer Kostenbeschwerde beiläufig mit Beschluss vom 03.02.20, I-7 W 92/19, gemeint, eine Frist von 3 – 4 Monaten sei zur Vorlage eines notariellen Verzeichnisses angemessen.

Das Erstellen von Nachlassverzeichnissen ist für Notare, wie manche mitunter offen zugeben, „die Höchststrafe“. Dennoch gehört diese Aufgabe zu ihren Amtspflichten.
Die Weigerung oder Verzögerung durch den Notar wird dem Erben zugerechnet. Der Erbe gibt damit Klageveranlassung oder muss sich im Rahmen der Zwangsvollstreckung ein Zwangsgeld „gefallen“ lassen.

Schutz-Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Der auskunftspflichtige Erbe sollte zu seinem eigenen Schutz bei Verweigerung oder Verzögerung durch den Notar Untätigkeitsbeschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO gegen den Notar erheben, um diesen zur Einhaltung seiner Verpflichtung zur Beurkundung zu zwingen. Andernfalls genügt der Erbe seiner Auskunftspflicht nicht, zu deren Durchsetzung ein Zwangsgeld festgesetzt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.10.16, I-7 W 67/16).

Der Pflichtteilsberechtigte selbst hat bei Untätigkeit des Notars keine Beschwerdeberechtigung gem. § 15 Abs. 2 BNotO (BGH, Beschl. v. 19.07.23 – IV ZB 31/22 (s. hierzu den verlinkten Beitrag).

Hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Anwesenheit bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses?

Ja!
Nach dem Gesetz hat der Pflichtteilsberechtigte das Recht, bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen zu werden (§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB), also anwesend zu sein. Das gilt sowohl für das notarielle als auch das privatschriftliche Nachlassverzeichnis. Kein Anwesenheitsrecht besteht bei den Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme des Verzeichnisses.

Grund: Der auskunftsberechtigte Pflichtteilsberechtigte soll in die Lage versetzt werden, sich von der Vollständigkeit und Qualität der Auskunft zu überzeugen und eine evtl. Notwendigkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung besser beurteilen zu können.

Nach h.M. umfasst das Zuziehungs- bzw. Anwesenheitsrecht auch das Recht, einen Vertreter zu entsenden oder sich von einem Beistand begleiten zu lassen.

Gucken, nicht mucken

Der Pflichtteilsberechtigte hat aber keinen Anspruch darauf, während seiner Anwesenheit eigene Nachforschungen anzustellen oder in sonstiger Weise die Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu beeinflussen.

Hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Wertermittlung durch Sachverständige?

Der Pflichtteilsberechtigte hat ferner einen eigenständigen Anspruch auf Wertermittlung bzgl. der Nachlassgegenstände. Er ist im allgemeinen Auskunftsbegehren nicht enthalten; der Pflichtteilsberechtigte muss ihn gesondert geltend machen.

Der Pflichtteilsberechtigte hat sogar dann einen Wertermittlungsanspruch durch Sachverständige, wenn der Erbe den fraglichen Nachlassgegenstand bereits veräußert hat und der Veräußerungserlös feststeht (BGH, Urt. v. 29.09.21, IV ZR 328/20).

Im Rahmen der Wertermittlung muss der verpflichtete Erbe dem Pflichtteilsberechtigten diejenigen Informationen zukommen lassen, die diesen in die Lage versetzen, ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen seinen Pflichtteilsanspruch berechnen zu können (OLG Köln, ZEV 2006, 77). Durch das Sachverständigengutachten über die Wertverhältnisse muss der Pflichtteilsberechtigte so sachgerecht ins Bild gesetzt werden, dass er auf dieser Grundlage eine Entscheidung über den wahren Wert des Nachlasses und damit über die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs treffen kann (OLG Brandenburg, ZErb 2004, 132 [133 f.]; OLG Oldenburg, NJW 1999, 1974 [1975]).

Die für die Wertermittlung entstehenden Kosten gehen zu Lasten des Nachlasses.

Wer beauftragt welchen Sachverständigen?

Problem:  Der Pflichtteilsberechtigte hat keinen Anspruch zu bestimmen, durch wen der Erbe die Werte ermitteln lässt. Er kann jedoch verlangen, dass der Wert durch einen unabhängigen und unparteiischen Sachverständigen ermittelt wird.
Leider besteht nach h.M. kein Anspruch auf Wertermittlung durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (jetzt höchstrichterlich bestätigt: BGH, Urt. v. 29.09.21, IV ZR 328/20; s.a. OLG Köln FamRZ 2012, 483; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 454).

Nicht zu akzeptieren  braucht der Pflichtteilsberechtigte jedoch die in der Praxis ständig vorgelegten „Gefälligkeitsgutachten“ durch Makler oder „Beleihungsgutachten“ von Banken!

Veranlasst der Pflichtteilsberechtigte selbst eine Wertermittlung durch Sachverständige, so hat er die Kosten hierfür auch selbst zu tragen!

Wann hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Erben?

Besteht Grund zu der Annahme (und wird dies substantiiert behauptet), dass das Nachlassverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde, dann kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben verlangen, dass dieser an Eides Statt versichert, dass er nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig und richtig angegeben hat, als er dazu imstande ist.

Das gilt auch dann, wenn die Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist (BGH, Urt. v. 01.12.21 – IV ZR 189/20, NJW 2022, 695 mAnm Schönenberg-Wessel).

Achtung:  Die Kosten der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung hat derjenige zu tragen, der sie verlangt (§ 261 Abs. 2 BGB), also der Pflichtteilsberechtigte.

Notar nicht zuständig, sondern das Amtsgericht!

Entgegen weitläufig verbreiteter, aber falscher Auffassung ist für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft niemals der Notar, auch nicht der Prozessrichter, sondern ausschließlich der Rechtspfleger bei dem für den Wohnsitz des Erben zuständigen Amtsgericht zuständig (§§ 410 Nr. 1, 413 FamFG).

Der Notar ist zur Abnahme von eidesstattlichen Versicherungen nur dann zuständig, wenn Adressat der Versicherung eine Behörde oder Dienststelle ist (§ 22 Abs. 2 BNotO). Adressat der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft bzw. des erteilten Nachlassverzeichnisses ist aber ausschließlich der Pflichtteilsberechtigte.

Ist der Erbe zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung verurteilt, ist das Vollstreckungsgericht zuständig (§ 889 ZPO).

Empfehlung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Bestehen Sie als Pflichtteilsberechtigter darauf, dass die eidesstattliche Versicherung vor dem zuständigen Rechtspfleger des Amtsgerichts abgegeben wird, und lassen Sie sich nicht mit einer Versicherung beim Notar „abspeisen“!

Denn eine falsche eidesstattliche Versicherung ist nach dem Strafgesetzbuch nur dann strafbar, wenn diese vor der „zuständigen Behörde“ abgegeben wurde (§ 156 StGB). Die oft bei Notaren abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen sind nicht strafbewehrt und daher nicht geeignet, den Auskunftspflichtigen zur Wahrheit anzuhalten.

Kann der Pflichtteilsberechtigte Register und Akten einsehen, wenn der Erbe „mauert“?

Der Pflichtteilsberechtigte kann bereits Akten und Register einsehen, bevor er den Erben überhaupt zur Auskunftserteilung auffordert.
Dies bietet sich vor allem an, um zu überprüfen, ob sich die Geltendmachung von Auskunfts- und Pflichtteilsansprüchen überhaupt lohnt, bevor „böses Blut“ provoziert wird, oder falls der Pflichtteilsberechtigte vermutet und prüfen will, ob der Erbe bei der Auskunftserteilung „mauert“ oder gar lügt.

Der Pflichtteilsberechtigte kann, wenn er seine Berechtigung glaubhaft macht,

  • bei Immobilien Einsicht ins Grundbuch und die Grundakten nehmen und Abschriften verlangen,
  • ggf. Einsicht in Handels- und Unternehmensregister nehmen,
  • um Einsicht in die Nachlassakte ersuchen, um zu prüfen, welche Angaben der Erbe gegenüber dem Nachlassgericht gemacht hat (Formblatt Nls 17),
  • falls der Erblasser unter Betreuung stand, Einsicht in die Betreuungsakte nehmen, um die dortigen Vermögensverzeichnisse zu überprüfen (s. LG Mainz, Beschl. v. 23.02.17, 8 T 25/17, FamRZ 2017, 2076).

Wie kann, wann sollte, wann muss der Berechtigte seinen Pflichtteil vor Gericht durchsetzen?

Jeder einzelne Anspruch auf Auskunftserteilung, Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung und Zahlung des Pflichtteils ist isoliert, also einzeln klagbar.

Tipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Es empfiehlt sich zumeist jedoch, die einzelnen Ansprüche in einer sog. Stufenklage zu verbinden.

Größter Vorteil einer solchen Stufenklage ist, dass ausnahmsweise der Leistungsanspruch noch nicht genau beziffert werden muss, wie sonst bei einer Leistungsklage!

Außerdem läuft man mit einer Stufenklage nicht Gefahr, dass die einzelnen Ansprüche bei den langen Verfahrensdauern zu verjähren drohen.

Schließlich ist die Stufenklage bei weitem billiger als die jeweils isolierte Geltendmachung der einzelnen Ansprüche.

Wann sollte Pflichtteilsklage erhoben werden?

Leider lehrt die Erfahrung, dass viele Erben den Pflichtteilsberechtigten nicht wirklich ernst nehmen, ihn ignorieren oder am langen Arm verhungern lassen, Vermögen verschleiern, nur tröpfchenweise Informationen preisgeben und regelrechte Schleiertänze aufführen.

Dann sollten Sie nicht lange mittanzen, bitten und betteln, sondern Stufenklage erheben!
Der Erbe merkt sogleich spürbar, dass Sie es ernst meinen. Denn er wird auf jeder Stufe durch Teil-Urteil verurteilt und trägt am Ende die Kosten. Häufig kommt dann plötzlich Bewegung in die Sache und wächst auf wundersame Weise die Bereitschaft zu einer Einigung…

Regt sich der Erbe dann immer noch nicht, kann aus den Teil-Urteilen auf Auskunft und/oder Wertermittlung vollstreckt werden, indem Zwangsgeld oder Zwangshaft festgesetzt wird.
Da es sich um eine „nicht vertretbare“ Handlung handelt, also eine Handlung, die nicht von einem anderen als den Schuldner mit dem gleichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Erfolg vorgenommen werden kann, erfolgt die Vollstreckung nach § 888 ZPO (so jetzt ausdrücklich BGH, Besch. v. 13.09.18, I ZB 109/17). Auf Antrag beim Prozessgericht (nicht dem Vollstreckungsgericht!) setzt dieses durch Beschluss ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, fest. Aus diesem Festsetzungsbeschluss ist dann das Zwangsgeld durch Gerichtsvollzieher zugunsten der Staatskasse (!) zu vollstrecken.

Wann muss Pflichtteilsklage erhoben werden?

Droht die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs infolge der kurzen Regelverjährung von drei Jahren, kann die Verjährung, wenn die Gegenseite nicht anerkennt oder auf die Einrede der Verjährung verzichtet, nur durch rechtzeitige Klageerhebung gehemmt werden. Die Klageerhebung ist dann also ein MUSS!

Besteht für eine Pflichtteilsklage Anwaltszwang?

Für Pflichtteilsklagen sind nicht die Nachlassgerichte, sondern die Prozessgerichte zuständig.
Da der geltend zu machende bzw. erwartete Pflichtteil zumeist über 5.000 € liegt, sind die Landgerichte zuständig.

Vor den Landgerichten besteht Anwaltszwang, d.h. Sie können nur wirksam Anträge stellen und Erklärungen abgeben, wenn Sie sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen (das gilt übrigens nicht für Prozesskostenhilfeanträge)!

Anmerkung:  Seit dem 01.01.2021 sind bei allen Landgerichten Spezialkammern für Erbrecht und bei allen Oberlandesgerichten Spezialsenate für Erbrecht einzurichten. Solche Spezialkammern bestehen bei den Landgerichten Düsseldorf und Wuppertal bereits seit 2016.

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