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Der Zusatz­pflicht­teil, Rest­pflicht­teil bzw. Pflicht­teils­rest­an­spruch

Der Anspruch des nur unzureichend bedachten Erben oder Vermächtnis­neh­mers

Der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil steht einem pflichtteilsberechtigten Miterben zu, dem weniger als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils hinterlassen wurde, und ist als reiner Geldzahlungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung geltend zu machen.

Erstaunlicherweise ist der Zusatzpflichtteil (auch Restpflichtteil oder Pflichtteilsrestanspruch genannt) kaum bekannt und wird dementsprechend wenig beachtet, was wohl daran liegt, dass er eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass der Pflichtteil nur einem Enterbten zusteht.

Da das Pflichtteilsrecht das Ziel verfolgt, einem Pflichtteilsberechtigten eine Mindestteilhabe am Nachlass zu sichern, gewähren die §§ 2305, 2307 BGB daher auch einem nur „unzureichend“ mit einem Erbteil bedachten Erben oder Vermächtnisnehmer den sog. Zusatzpflichtteil.
Denn der erbende oder mit einem Vermächtnis bedachte Pflichtteilsberechtigte soll nicht schlechter (aber auch nicht besser) stehen als der völlig enterbte bzw. unbedachte Pflichtteilsberechtigte.

Der Zusatzpflichtteil in Frage und Antwort:

Kann auch ein unzureichend bedachter Erbe zusätzlich einen Pflichtteil fordern?

Ist einem pflichtteilsberechtigten Miterben ein Erbteil hinterlassen, der geringer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (also kleiner als sein Pflichtteil) ist, dann kann er von dem Miterben den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils als Zusatzpflichtteil verlangen (§ 2305 BGB).

Beispiel:  Der verwitwete Erblasser setzt seinen Sohn S zu 1/10 und seine Lieblingstochter T zu 9/10 zu Erben ein.
Die Erbquote des S wäre 1/2 gewesen; seine Pflichtteilsquote beläuft sich auf die Hälfte, mithin auf 1/4.
Der Zusatzpflichtteil ist somit der Differenzbetrag aus 1/4 – 1/10 = 3/20 oder 15% des Nachlasswertes.

Warnung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

In keinem Fall darf ein Pflichtteilsberechtigter ausschlagen, andernfalls er sowohl den „unzureichenden“ Erbteil als auch den Pflichtteil verliert!
Schlägt er aus, behält er allerdings – aber auch nur – den Zusatzpflichtteil.
(Dies gilt nicht für den überlebenden Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft!)

Wann und gegen wen ist der Zusatzpflichtteil geltend zu machen?

Der Zusatzpflichtteil richtet sich gegen den oder die übrigen Miterben und ist bei der Erbauseinandersetzung geltend zu machen.

Welche Ansprüche hat der unzureichend bedachte und gleichzeitig belastete Erbe?

Der nicht nur unzureichend, sondern zusätzlich auch noch mit Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 BGB bezeichneten Art belastete Erbe kann wählen:

  • Entweder nimmt er die Erbschaft an und verlangt den Zusatzpflichtteil; dann muss er die Belastungen hinnehmen und erfüllen, ohne dass diese Belastungen durch den Zusatzpflichtteil ausgeglichen würden (§ 2305 S. 2 BGB).
  • Oder er schlägt nach § 2306 BGB die Erbschaft aus und macht seinen „vollen“ Pflichtteil geltend.

Expertentipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Bei dem unzureichend bedachten und gleichzeitig noch beschränkten oder beschwerten Erben empfiehlt sich in der Praxis regelmäßig die Ausschlagung!

Beispiel:  Der verwitwete Erblasser E setzte in seinem Testament seinen Sohn S zu 1/4 und seine Lebensgefährtin L zu 3/4 als Erben ein. Gleichzeitig vermachte er seinem Tennis-Doppelpartner einen Geldbetrag von 20.000 € für neue Bälle. Der Gesamtnachlass beträgt 100.000 €.
S hätte den E bei gesetzlicher Erbfolge allein beerbt. Sein Pflichtteil beliefe sich auf 50%; der ihm tatsächlich hinterlassene Erbteil ist also niedriger als sein Pflichtteil.
→ Nimmt S die Erbschaft an oder versäumt er die Ausschlagungsfrist, muss er das angeordnete Vermächtnis gegen sich gelten lassen. Sein Erbteil beläuft sich also auf (100 T€ ./. 20 T€) / 4 = 20.000 €.
Daneben kann er gegenüber L bei der Erbauseinandersetzung seinen Zusatzpflichtteil verlangen, wobei allerdings Beschränkungen und Beschwerungen außer Betracht bleiben. Ohne Vermächtnis hätte sich der Wert des Erbteils auf 25 T€ belaufen; sein Zusatzpflichtteil beträgt somit (50 T€ ./. 25 T€ =) 25.000 €.
Insgesamt erhält er aus dem Nachlass also 45.000 €.
→ Schlägt S dagegen wegen der Beschwerung mit dem Vermächtnis die Erbschaft nach § 2306 Abs. 1 BGB aus, so kann er seinen vollen Pflichtteil von 50.000 € verlangen.

Wie hoch ist der Zusatzpflichtteil des Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft?

Ist einem Ehegatten, der mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, ein kleiner Erbteil hinterlassen, dann bemisst sich dessen Pflichtteil nach dem nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Erbteil (sog. „großer Pflichtteil“).
Der Zusatzpflichtteil ist also der Differenzbetrag aus dem Wert des großen Pflichtteils und dem Wert des hinterlassenen Erbteils.

Ein Zugewinnausgleichsanspruch kann dagegen nicht verlangt werden (da der Ehegatte ja Erbe ist und die Voraussetzungen des § 1371 Abs. 2 BGB nicht vorliegen).

Sofern dies rechnerisch Sinn ergibt, kann der Ehegatte allerdings die unzureichende Erbschaft nach § 1371 Abs. 3 BGB ausschlagen und stattdessen den kleinen Pflichtteil und den Zugewinnausgleich beanspruchen.

Kann ein mit einem Vermächtnis bedachter Pflichtteilsberechtigter zusätzlich einen Restpflichtteil geltend machen?

Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis zugewandt, so kann er den (vollen) Pflichtteil verlangen, wenn er das Vermächtnis ausschlägt.

Es bleibt dem Pflichtteilsberechtigten aber unbenommen, das Vermächtnis anzunehmen und, sollte dessen Wert hinter dem Wert des Pflichtteils zurückbleiben, die Wertdifferenz als Zusatzpflichtteil (oder Restpflichtteil) zu verlangen (§ 2307 BGB).
Insoweit hat er also ebenfalls ein Wahlrecht.

Ist der Pflichtteilsberechtigte Miterbe und Vermächtnisnehmer, und ist der zusammengerechnete Wert kleiner als sein Pflichtteil, kann er ebenso den Restpflichtteil verlangen.

Wann verjährt der Zusatzpflichtteil bzw. Pflichtteilsrestanspruch?

Auch wenn der Zusatzpflichtteil nur im Rahmen der Erbauseinandersetzung geltend gemacht werden kann und der Auseinandersetzungsanspruch unverjährbar ist, so ist der Zusatzpflichtteil gleichwohl ein echter Pflichtteilsanspruch und verjährt somit innerhalb der kurzen Regelverjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB).
Dabei beginnt die Verjährungsfrist bereits am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, also mit dem Erbfall (§ vgl. § 2317 BGB), und der Kenntnis des pflichtteilsberechtigten Erben davon, dass der hinterlassene Erbteil wertmäßig hinter dem Pflichtteil zurückbleibt, also letztlich der Kenntnis von Zusammensetzung und Wert des Nachlasses.
Der Beginn der Verjährung ist nicht etwa hinausgeschoben bis zur Teilungsreife des Nachlasses oder zur Auseinandersetzung der Erbschaft.

Dringender Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Droht die Verjährung des Zusatzpflichtteils, muss der Pflichtteilsberechtigte Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung ergreifen (vgl. § 204 Abs. 1 BGB), etwa zur Sicherheit Feststellungsklage erheben, um den Anspruch rechtskräftig feststellen zu lassen (s. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB)!

Fachanwalt für Erbrecht - Ingo Lahn | Zusatzpflichtteil

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