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Der Erbvertrag

Verfügung von Todes wegen in Vertragsform

Das deutsche Erbrecht erlaubt – im Gegensatz zu den meisten anderen Rechtsordnungen – neben dem Testament auch eine Vereinbarung über künftige Nachlässe, den sog. Erbvertrag.
Da gemeinschaftliche Testamente nur Ehegatten vorbehalten sind, können nichteheliche Lebenspartner oder sonstige Dritte nur in einem Erbvertrag gemeinsam verfügen!

Der Erbvertrag stellt eine gemeinsame Nachlassplanung und auch eventuelle Gegenleistungen, die zu Lebzeiten des Erblassers im Hinblick auf seine Verfügung versprochen und erbracht werden (z.B. eine Pflegeverpflichtung gegen Erbeinsetzung), auf eine sichere, vertraglich bindende Grundlage. Wegen der Bindungswirkung birgt er aber auch Gefahren!

Der Erbvertrag in Frage und Antwort:

In welcher Form ist ein Erbvertrag zu errichten?

Ein Erbvertrag (§§ 1941, 2274 ff. BGB) muss, um wirksam zu sein, zur Niederschrift eines Notars und bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragschließenden abgeschlossen werden (§ 2276 Abs. 1 BGB).
Der spätere Erblasser kann den Erbvertrag nur persönlich abschließen. Er muss unbeschränkt geschäftsfähig sein.
Trifft sein Vertragspartner selbst keine Verfügung von Todes wegen, kann er sich von einem Dritten vertreten lassen.

Ein Erbvertrag kann mit anderen Geschäften verbunden werden. So ist in der Praxis die Kombination mit einem Ehevertrag oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung recht häufig.

Welche Verfügungen können vertragsmäßig bindend in einem Erbvertrag getroffen werden?

In einem Erbvertrag können natürlich sämtliche erbrechtliche Verfügungen, wie in einem Testament (s. dort) angeordnet werden.

Mit erbvertraglicher Bindungswirkung können jedoch nur

  • Erbeinsetzungen,
  • Vermächtnisse,
  • Auflagen und
  • die Wahl des anzuwendenden Erbrechts

vereinbart werden (vertragsmäßige Verfügung; § 2278 Abs. 2 BGB).

Beispiele:
Bestimmt der Erblasser in einem Erbvertrag
a) seinen Vertragspartner oder einen Dritten zum Alleinerben,
b) mit seinem Noch-Ehegatten im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung, dass er seine ideelle Hälfte an der gemeinsamen Immobilie seinen Kindern vermacht, oder
c) dass er für seine Rechtsnachfolge von Todes wegen die Anwendung deutschen Rechts wählt,
dann kann der Erblasser seine Verfügungen nicht mehr einseitig ändern, sondern nur noch zusammen mit seinem Vertragspartner.

Anders verhält es sich etwa bei einer Teilungsanordnung, der Anordnung einer Testamentsvollstreckung, dem Ausschluss der Vermögenssorge oder einer bloßen Enterbung ohne anderweitige Erbeinsetzung. Diese in einem Erbvertrag getroffenen Verfügungen sind nur einseitig und können damit auch einseitig wieder abgeändert werden.

Tipp von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Bei der Gestaltung eines Erbvertrags sollte immer klargestellt werden, welche Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen als vertragsmäßig bindend angeordnet sein sollen und welche nicht, damit es später nicht zu Zweifeln – und damit zur Notwendigkeit der Auslegung – kommt!

Wann liegt überhaupt nur ein Erbvertrag vor?

Ein Erbvertrag muss mindestens eine vertragsmäßige Verfügung (s.o.) enthalten, andernfalls liegt in Wahrheit ken Erbvertrag, sondern „nur“ ein Testament vor.
Andere als vertragsmäßige Verfügungen sind immer einseitig letztwillig und damit jederzeit widerruflich wie ein Testament.

Auch wenn nur eine Person Verfügungen von Todes wegen trifft, kann ein Erbvertrag vorliegen, wenn sich – notfalls durch Auslegung – ergibt, dass die Vertragsparteien eine vertragliche Bindung gewollt haben (so etwa, wenn der Vertragspartner selbst oder ein ihm nahestehender Dritter bedacht wird).

Was ist ein einseitiger, was ein gegenseitiger Erbvertrag?

Von einem einseitigen Erbvertrag spricht man, wenn lediglich ein Vertragsteil als Erblasser Verfügungen von Todes wegen trifft und der andere Vertragsteil die Erklärung, die vertragsmäßig bindend sein soll, lediglich annimmt, aber selbst nicht vertragsmäßig verfügt.
Hat sich der Verfügende nicht das Rücktrittsrecht vorbehalten, kann er sich lebzeitig nicht mehr einseitig von dem Vertrag lösen und auch nicht mehr wirksam anderweitig verfügen!
Lediglich dann, wenn sein Vertragspartner vorverstirbt, kann der Erblasser zurücktreten. Insoweit gilt Testamentsrecht.

Von einem zweiseitigen Erbvertrag spricht man, wenn beide Vertragsparteien vertragsmäßig bindende Verfügungen von Todes wegen treffen, von denen anzunehmen ist, dass sie voneinander abhängig sein sollen, also wechselbezüglich sind.
Bei einem solchen Erbvertrag hat dann die Unwirksamkeit auch nur einer vertragsmäßigen Verfügung die Unwirksamkeit des gesamten Erbvertrags zur Folge. Auch wird durch einen (vorbehaltenen) Rücktritt der Vertrag insgesamt aufgehoben (§ 2298 Abs. 1 BGB). Dies gilt nur dann nicht, wenn ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist (§ 2298 Abs. 3 BGB).

Ein zwei- oder mehrseitiger Erbvertrag ist nur dann gegenseitig, wenn die Vertragschließenden sich gegenseitig Zuwendungen machen.

Durch den Erbvertrag erwirbt ein Dritter, der nicht Vertragschließender ist, kein Forderungsrecht und auch keine Art Anwartschaft. Die Vertragschließenden können ihren Erbvertrag jederzeit ändern und die Zuwendung an den Dritten aufheben.

Welche Wirkung hat ein Erbvertrag auf andere Testamente oder Erbverträge?

Die Bindungswirkung des Erbvertrags schränkt die Testierfreiheit des Erblassers ein.
Durch den Erbvertrag

  • werden frühere letztwillige Verfügungen des Erblassers aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden (§ 2289 Abs. 1 S. 1 BGB) und
  • sind spätere Verfügungen von Todes wegen, die das Recht eines vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen, unwirksam.

Beispiel:
Die Erblasserin schloss mit Ihrem Ehemann einen Erbvertrag, in dem sie ihre Tochter zur Alleinerbin einsetzte und ihrem Ehemann ein Vermächtnis zuwandte. Nach dem Tod des Ehemanns heiratete sie erneut und schloss einen erneuten Erbvertrag, in dem sie auch dem zweiten Ehemann ein Vermächtnis aussetzte.
Da die Tochter nach dem Tod des Vaters unbelastete und unbeschränkte Alleinerbin geworden wäre, wurde diese Rechtsstellung durch das Vermächtnis aus dem zweiten Erbvertrag beeinträchtigt. Das Vermächtnis ist somit unwirksam und muss von der Tochter nicht erfüllt werden.

Was bewirkt ein Rücktrittsvorbehalt in einem Erbvertrag?

In einem Erbvertrag gehen die Vertragschließenden – anders als beim Testament – i.d.R. eine unwiderrufliche Bindung hinsichtlich ihrer vertragsmäßigen Verfügungen von Todes wegen ein.

Nur dann, wenn sich eine vertragschließende Person im Erbvertrag den Rücktritt vom gesamten Erbvertrag oder einzelnen Klauseln vorbehalten hat, kann sie sich zu Lebzeiten ohne die Zustimmung des Vertragspartners einseitig von getroffenen vertragsmäßigen Verfügungen lösen und anderweitig von Todes wegen wirksam verfügen.
Ohne Rücktrittsvorbehalt sind in dem Erbvertrag getroffene vertragsmäßige Verfügungen absolut bindend.

Nach dem Tod des Vertragspartners kann ein Rücktritt nicht mehr erklärt werden. Der längerlebende Vertragschließende kann dann – aber nur bei vorbehaltenem Rücktrittrecht – seine vertragsmäßigen Verfügungen durch Testament aufheben (§ 2297 BGB).
Ausnahme: Das gilt im Zweifel nicht bei einem gegenseitigen Erbvertrag!
Ein vorbehaltenes Rücktrittsrecht endet bei einem gegenseitigen Erbvertrag durch den Tod des anderen Vertragspartners (§ 2298 Abs. 2 S. 2). Der Längerlebende erhält seine Testierfreiheit nur dann wieder zurück, wenn er das ihm im Erbvertrag Zugewendete ausschlägt.

Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn:

Ohne ein vorbehaltenes Rücktrittsrecht führt selbst eine Ausschlagung nach dem Tode des Erbvertragspartners nicht zur Wiedererlangung der Testierfreiheit (§ 2298 Abs. 2 S. 3 BGB)!

Was bewirkt ein Abänderungsvorbehalt in einem Erbvertrag?

Anders als der Rücktrittsvorbehalt zugunsten des Erstversterbenden ermächtigt der Abänderungsvorbehalt den Überlebenden, eine von der erbvertraglichen Vereinbarung abweichende Regelung treffen zu dürfen.
Der überlebende Ehegatte wird also durch eine solche Abänderungsklausel in die Lage versetzt, seine Verfügungen von Todes wegen abändern zu können. Seine Bindung an den Erbvertrag wird mithin aufgehoben oder modifiziert.

Beispiel:
Die Lebenspartner haben sich im Erbvertrag zunächst wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt und sodann ihre jeweiligen Kinder zu Erben zu gleichen Teilen bestimmt.
In einer Abänderungsklausel heißt es dann: „Der Überlebende kann die Erbfolge nach sich jedoch insoweit abändern, als keines unserer Kinder vollständig enterbt und auch kein anderer, außer unserer Abkömmlinge zum Miterben berufen wird.“
In einem solchen Fall könnte der überlebende Vertragspartner in einer eigenen Verfügung von Todes wegen die Erbquoten unter den Abkömmlingen anderweitig festlegen. Es dürfte aber keinesfalls z.B. der neue Lebenspartner zum Erben berufen werden.

Umstritten ist, ob eine Abänderungsklausel, die erlaubt, dass „der Überlebende die Erbquoten innerhalb unserer Abkömmlinge frei abändern“ darf, auch eine Enterbung, also eine Abänderung „auf Null“ ermöglicht.

Kann der Erblasser trotz Erbvertrag Schenkungen machen?

Der Erblasser wird durch einen Erbvertrag „nur“ in seiner Testierfreiheit beschränkt, nicht aber auch darin, zu Lebzeiten über sein Vermögen frei zu verfügen (§ 2286 BGB). Er kann also mit seinem Vermögen tun und lassen, was er will!
Selbst Schenkungen, die der Erblasser in der Absicht vornimmt, den Vertragserben oder vertragsmäßigen Vermächtnisnehmer zu beeinträchtigen, sind wirksam.

Aber:  Bei beeinträchtigenden Schenkungen gewährt das Gesetz dem benachteiligten Vertragserben oder Vermächtnisnehmer verschiedene Ansprüche gegen den Beschenkten bzw. den Erben.
Dadurch soll verhindert werden, dass der Erblasser seine vertragliche Bindung umgeht und so den Nachlass aushöhlt.

Beeinträchtigende Schenkungen

Hat der Erblasser eine Schenkung in der Absicht vorgenommen, den Vertragserben zu beeinträchtigen, dann kann der Vertragserbe nach dem Tode des Erblassers vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen (§§ 2287, 818 BGB), also die Rückübertragung der geschenkten Gegenstände, Herausgabe der Nutzungen und Surrogate sowie Wertersatz für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe.

Beispiel:
Die vertragsmäßig gebundene überlebende zweite Ehefrau verschenkt lebzeitig das Mehrfamilienhaus „ihres Mannes“ sowie die ehemals gemeinsame Eigentumswohnung mitsamt dem wertvollen Inventar an ihre Nichte, damit der unliebsame Sohn des Ehemanns aus erster Ehe, der Vertragserbe, nach ihrem Tode nichts mehr bekommt (denn aufgrund der Bindungswirkung konnte sie ihre Nichte nicht mehr in einem Testament bedenken).
Hier kann der Sohn dann nach dem Tode der Stiefmutter von der Nichte die Übereignung der Immobilien und des Inventars verlangen sowie Zahlung der seit der Übereignung aus dem Mehrfamilienhaus gezogenen Mietüberschüsse nach Abzug der Werbungskosten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 82, 274, 282; 83, 44, 46; zuletzt noch Beschluss v. 26.10.11, IV ZR 72/11) liegt eine Beeinträchtigungsabsicht nur dann nicht vor, wenn der Erblasser an der Schenkung ein lebzeitiges Eigeninteresse gehabt hat (z.B. Schenkung zur Sicherstellung seiner Altersvorsorge und Pflege).

Erfolgte die Schenkung zur Beeinträchtigung eines Vermächtnisnehmers, richtet sich der Anspruch primär gegen den Erben und nur subsidiär, wenn Ersatz von dem Erben nicht zu erlangen ist, gegen den Beschenkten. Zu den Einzelheiten, auch zur Veräußerung, Beschädigung oder Zerstörung des vermachten Gegenstands, s. § 2288 BGB.

Kann der Erblasser bei nicht oder schlecht erbrachter Gegenleistung vom Erbvertrag zurücktreten?

Erfüllt der Vertragserbe oder sonst Begünstigte eine von ihm im Erbvertrag übernommene Verpflichtung nicht oder schlecht (z.B. eine Pflegeverpflichtung), dann kann der Erblasser nach einer erfolglosen Abmahnung mit Fristsetzung das Verpflichtungsgeschäft kündigen und sodann dann vom Erbvertrag zurücktreten (§ 2295 BGB; s.a. BGH, Beschl. v. 05.10.10, IV ZR 30/10).

Der Rücktritt erfolgt durch notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden.

Problematisch in solchen Fällen ist dann oft, dass der Erblasser, wenn er nicht mehr testierfähig ist (z.B. infolge Demenz), nicht mehr vom Erbvertrag zurücktreten kann. Dann kann auch der Vorsorgebevollmächtigte oder Betreuer den Rücktritt nicht mehr erklären (s. § 2296 Abs. 1 BGB).

Wird ein Erbvertrag bei Scheidung oder Auflösung eines Verlöbnisses unwirksam?

Bei rechtskräftig geschiedenen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern ist ein Erbvertrag grundsätzlich seinem ganzen Inhalt nach unwirksam, auch soweit ein Dritter bedacht wurde.
Ist der Erblasser noch vor Rechtskraft verstorben, ist der Erbvertrag auch dann unwirksam, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und

  • der Erblasser die Scheidung beantragt oder
  • der Erblasser dem Scheidungsbegehren seines Ehepartners zugestimmt hatte.

Die Verfügung ist jedoch dann nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen haben würde (§§ 2279 Abs. 2, 2077 Abs. 3 BGB).

Die Verfügung ist i.d.R. auch nicht unwirksam, wenn nichteheliche Lebenspartner nach Abschluss eines Erbvertrages irgendwann später heiraten und sich dann wieder scheiden lassen (s. OLG Rostock, Beschl. v. 13.07.21, 3 W 80/20, NJW 2021, 3665).

Dasselbe gilt bei einem Erbvertrag von Verlobten, wenn das Verlöbnis aufgelöst wird (§ 2077 Abs. 2 BGB).

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