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Der Bundesgerichtshof hat am 28.04.2010 in zwei Verfahren (IV ZR 73/08 und IV ZR 230/08) seine Rechtsprechung zur Bewertung von Lebensversicherungen mit widerruflicher Bezugsberechtigung im Rahmen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen geändert und die umstrittene Rechtsfrage neu beurteilt, anhand welchen Werts ein Pflichtteilsberechtigter eine Pflichtteilsergänzung nach § 2325 Abs. 1 BGB verlangen kann, wenn der Erblasser die Todesfallleistung einer von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherung mittels einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung einem Dritten schenkweise zugewendet hat: Der BGH legt nun den Rückkaufswert der Versicherung zugrunde.

Leitsätze des Urteils BGH, IV ZR 73/08 (BGHZ 185, 252):

Wendet der Erblasser die Todesfallleistung aus einem Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrecht schenkweise zu, so berechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB weder nach der Versicherungsleistung noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien (Aufgabe von BGHZ 7, 134; Senatsurteil vom 4. Februar 1976 – IV ZR 156/73 – FamRZ 1976, 616 unter 2; vgl. auch RGZ 128, 187).

Die Pflichtteilsergänzung richtet sich vielmehr allein nach dem Wert, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein – objektiv belegter – höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein.

Rechtlicher Hintergrund:

Bestimmt der Erblasser als Versicherungsnehmer der Lebensversicherung einen Bezugsberechtigten für den Fall seines Todes, dann vollzieht sich der Erwerb der Lebensversicherungssumme außerhalb des Nachlasses.
Mit dem Versicherer ist ein sog. „Vertrag zugunsten Dritter“ i.S.d. §§ 328 ff. BGB getroffen, im Verhältnis zwischen Erblasser und Bezugsberechtigtem liegt i.d.R. eine Schenkung auf den Todesfall vor.
Für die Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen stellte sich somit die Frage, was der maßgebliche Schenkungsgegenstand bzw. mit welchem Wert er zugrunde zu legen ist. Dies war seit langem umstritten.

Für Pflichtteilsergänzung ist Rückkaufswert maßgeblich

Mit seinen rechtlich und wirtschaftlich bedeutsamen Entscheidungen ist der für das Erbrecht und Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH, der bislang auf die während der letzten 10 Jahre eingezahlten Prämien abgestellt hatte, gleichzeitig einer neueren Tendenz in Literatur und Rechtsprechung entgegengetreten, die (unter Berufung auf ein Urteil des IX. Zivilsenats des BGH zu einer ähnlichen Fragestellung im Insolvenzrecht – BGHZ 156, 350) bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs auf die gesamte Versicherungssumme abstellen wollte.
Seiner Auffassung nach sei ein dritter Wert richtig – der Rückkaufswert.

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