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Grundbucheinsicht zur Ermittlung des Nachlasses unabdingbar

Nach § 12 Abs. 1 S. 1 GBO kann jeder Grundbucheinsicht nehmen, der dem Grundbuchamt ein „berechtigtes Interesse“ darlegt.
Da der Pflichtteilsberechtigte nicht Rechtsnachfolger der Erblassers und regelmäßig auf den Auskunftsanspruch gegen den Erben nach § 2314 BGB und dessen Redlichkeit angewiesen ist, eröffnet sich für den Pflichtteilsberechtigten hier eine weitere, nicht unwichtige, aber oft unterschätze Erkenntnisquelle.

„Berechtigtes Interesse“ des Pflichtteilsberechtigten an Grundbucheinsicht?

Der Pflichtteilsberechtigte hat regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Grundbucheinsicht zur Feststellung des Entstehens oder der Höhe eventueller Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche (OLG München, Beschl. v. 07.11.12, 34 Wx 360/12).

Hier führt das OLG München insbesondere aus, dass sich das Interesse des Pflichtteilsberechtigten nicht nur auf die Frage erstreckt, in welcher Höhe mögliche Ansprüche gegen Miterben bestehen.
Soweit Pflichtteilsergänzungsansprüche entstanden sein können, ergibt sich das berechtigte Interesse an der Einsicht in Grundbuchblätter auch hinsichtlich des ehemaligen Grundeigentums des Erblassers allein schon zur Klärung, ob solche Ansprüche tatsächlich entstanden sind.
Das Interesse umfasst auch die Einsicht in die Abteilungen II und III (OLG Düsseldorf, I-3 Wx 209/10).

Dass Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen und auch geltend gemacht wurden, muss gegenüber dem Grundbuchamt nicht dargelegt werden (s.a. OLG Düsseldorf, aaO); es reicht die Glaubhaftmachung der Pflichtteilsberechtigung.

Praxishinweis von Rechtsanwalt Ingo Lahn, Fachanwalt für Erbrecht in Hilden:

Sobald sich Immobilien im Nachlass befinden oder im Vermögen des Erblassers befanden, ist es für den Pflichtteilsberechtigten geradezu „zwingend“, Grundbucheinsicht zu nehmen! Für den beratenden oder vertretenden Rechtsanwalt wäre es gar ein Kardinalfehler, den Mandanten nicht zumindest auf diese Möglichkeit hinzuweisen.
Dabei sollte im Hinblick auf Pflichtteilsergänzungsansprüche insbesondere auch Einsicht in die Grundakte genommen werden, da dort die Übertragungsverträge hinterlegt sind, aus denen sich die Veräußerungskonditionen ergeben, die für die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten relevant sein können.

Aber auch dem Erben empfiehlt sich, möglichst bereits vor Annahme einer Erbschaft (natürlich ebenfalls danach) Grundbucheinsicht zu nehmen, um sich ein Bild von den Vermögensverhältnissen des Erblassers zu verschaffen.

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