BGH bestätigt, dass ein Unterhaltspflichtiger Pflichtteilsansprüche nicht geltend machen muss
Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Senat beim Bundesgerichtshof hat jetzt noch einmal klargestellt, dass ein Unterhaltspflichtiger Pflichtteilsansprüche durchzusetzen nicht klageweise gezwungen werden kann (BGH, Urt. v. 28.11.12, XII ZR 19/10). Dasselbe gilt für die Rückforderung einer Schenkung.
Wohl kann aber unterhaltsrechtlich die Obliegenheit bestehen, Vermögenswerte zu realisieren. Verletzt der Unterhaltspflichtige diese Obliegenheit, ist er fiktiv so zu behandeln, als hätte er die Obliegenheit erfüllt, also den Anspruch geltend gemacht.
Leitsatz der BGH-Entscheidung XII ZR 19/10:
„Verletzt der Unterhaltspflichtige die Obliegenheit, Vermögenswerte zu realisieren, ist er unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als habe er die Obliegenheit erfüllt. Ein einklagbarer Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung oder Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs besteht dagegen nicht.“
Sachverhalt (verkürzt):
Die minderjährigen Kindes des Beklagten, der ihre Mutter getötet hatte und nun eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßt, hatten wegen ihrer Unterhaltsansprüche beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die ihm gegen seine Schwester zustehenden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod der gemeinsamen Eltern geltend zu machen,
Der Beklagte wurde erst- und zweitinstanzlich verurteilt; die Revision des Beklagten hatte Erfolg.
Rechtlicher Hintergrund:
Pflichtteilsansprüche (aber auf der Rückforderungsanspruch des Schenkers oder Zugewinnausgleichsanspruch des Ehegatten) sind nach § 852 ZPO nur dann pfändbar und einziehbar, wenn sie durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden sind.
Denn mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem soll allein Letzterem die Entscheidung überlassen werden, ob der Anspruch gegen den Erben (i.d.R. ein engster Familienangehöriger) durchgesetzt werden soll.
Gleichwohl kann nach der Rechtsprechung der Pflichtteilsanspruch in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit gepfändet werden; er darf jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO verwertet werden.
Damit hängt also nicht die Pfändbarkeit, sondern erst die Verwertbarkeit von einem vertraglichen Anerkenntnis bzw. von der Rechtshängigkeit ab.
BGH: Keine Ausnahme bei bestehender Unterhaltspflicht
Der BGH stellt fest, dass es nach den §§ 1601 ff. BGB keine Anspruchsgrundlage gibt, Unterhaltsgläubiger im Hinblick auf die Regelung des § 852 ZPO zu privilegieren.
Selbst wenn den Beklagten eine gesteigerte Unterhaltspflicht träfe, nach der er alle verfügbaren Mittel zu seinem und seiner Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden hätte (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB), könne dem Klagebegehren nicht entsprochen werden.
Denn den Unterhaltspflichtigen trifft – außer der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung – keine einklagbare Pflicht zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen.
Unterlässt der Unterhaltspflichtige Pflichtteilsansprüche zu realisieren, liegt i.d.R. eine Obliegenheitsverletzung vor!
Allerdings treffen den Unterhaltspflichtigen im Rahmen seiner Unterhaltspflicht verschiedene Obliegenheiten, die dazu führen sollen, dass er finanziell in der Lage ist, den Unterhalt zu gewähren.
So obliegt ihm neben einer gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft ggf. auch, Vermögen zu erwerben, in zumutbarem Rahmen so ertragreich wie möglich anzulegen, gegebenenfalls umzuschichten oder erforderlichenfalls zu verwerten.
Verletzt der Unterhaltspflichtige die ihn treffenden Obliegenheiten, muss er sich so behandeln lassen, als habe er die Obliegenheit erfüllt. Ihm wird infolge dessen fiktiv das erzielbare Einkommen angerechnet, denn er muss unterhaltsrechtlich als Sanktion die Folgen seines Unterlassens tragen (st.Rspr.).
Darin erschöpfen sich die Auswirkungen einer Obliegenheitsverletzung.
Muss danach ein Unterhaltspflichtiger Pflichtteilsansprüche zwar nicht geltend machen, kann in diesem Unterlassen gleichwohl eine Obliegenheitsverletzung liegen. In einem solchen Fall ist er dann fiktiv so zu behandeln, als habe er den Anspruch geltend gemacht.
So führt der BGH dann am Ende aus:
„Dementsprechend hatte schon das Reichsgericht es nicht beanstandet, dass ein für seine minderjährigen Kinder unterhaltspflichtiger Vater mit Rücksicht auf einen Pflichtteilsanspruch als leistungsfähig behandelt und zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt worden ist (RG Warn 1919 Nr. 88, 151 f.).„