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Für den Pflichtteilsanspruch gilt die Regelverjährung

Auch für die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs (ebenso des Pflichtteilsergänzungsanspruch) gilt nunmehr die gesetzliche Regelverjährung (§ 199 Abs. 1 BGB). Danach verjährt der Pflichtteil innerhalb von drei Jahren, berechnet von dem Schluss des Jahres an,

  • in dem der Anspruch entstanden ist (mit dem Erbfall) und
  • der Gläubiger (der Pflichtteilsberechtigte) von den anspruchsbegründenden Umständen (also dem Erbfall sowie der beeinträchtigenden Verfügung) sowie der Person des Schuldners (des Erben) Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

Verjährung des Pflichtteilsanspruchs auch ohne Kenntnis vom Nachlass?

Welche Auswirkung es für die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs hat, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst später von Nachlassgegenständen erfährt, etwa weil der Erbe ihm eine falsche Auskunft erteilt hatte oder sich die Nachlasszugehörigkeit erst nachträglich herausstellt, hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 16.01.13, IV ZR 232/12) klargestellt: Keine!

Leitsatz der BGH-Entscheidung IV ZR 232/12:

„Für den Beginn der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs kommt es nicht auf die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von Zusammensetzung und Wert des Nachlasses an.
Die Verjährungsfrist beginnt nicht erneut zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst später von der Zugehörigkeit eines weiteren Gegenstandes zum Nachlass erfährt. § 2313 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 BGB ist nicht entsprechend anzuwenden.“

Wesentliche Begründung:

Beim Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen einheitlichen, auf den gesamten Nachlass, nicht auf einzelne Nachlassgegenstände bezogenen und somit nicht aufspaltbaren Anspruch, so dass nur eine einheitlich laufende Verjährungsfrist gelten kann (s. Rn. 11 a.E.).
Für eine analoge Anwendung von § 2313 BGB fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke (Rn 14 a.E.).

Die Entscheidung betraf noch einen Erbfall vor der Reform des Erb- und Verjährungsrecht. Damit war noch § 2332 Abs. 1 BGB a.F. anzuwenden. Für den jetzt einschlägigen § 199 Abs. 1 BGB kann nichts anderes geltend.

Anmerkung von Rechtsanwalt Ingo Lahn, Fachanwalt für Erbrecht in Hilden:

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen – auch unter Geltung des neuen Erb- und Verjährungsrechts.
Sinn und Zweck der Verjährung ist, zeitnah Rechtsfrieden zu schaffen. Dem würde es entgegen laufen, wenn die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs immer wieder von neuem beginnen würde oder gehemmt wäre, wenn und solange neue Nachlassgegenstände auftauchten.
Der Pflichtteilsanspruch lässt sich nicht in Einzelansprüche oder auf einzelne Nachlassgegenstände zerlegen.

Nach neuem Recht dürfte die Sache gar noch einfacher sein: Denn nach dem Gesetzeswortlaut der Verjährungsvorschrift des § 199 BGB beginnt die Verjährung u.a. mit der Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände zu laufen. Die Nachlasszugehörigkeit oder der Wert von Nachlassgegenständen ist aber keine Frage des Anspruchsgrundes, sondern der Höhe des Anspruchs.

Fazit: Jeder Pflichtteilsberechtigte muss daher ein starkes Eigeninteresse daran haben, von seinen Ansprüchen nach § 2314 BGB konsequent Gebrauch zu machen und die Zusammensetzung sowie den Wert des Nachlasses zeitnah und möglichst umfassend zu ermitteln.
Primär zu erwägen ist das Verlangen an den Erben, ein notariellen Nachlassverzeichnisses zu errichten und Sachverständigengutachten einzuholen.
Parallel dazu kann und sollte der Pflichtteilsberechtigte auch Einsicht in Grundbücher, Grundakten sowie Handels- oder Gewerberegister usw. nehmen, auch um abschätzen zu können, ob der Erbe tatsächlich „mit offenen Karten“ spielt.

Notfalls muss der Pflichtteilsberechtigte Stufenklage erheben, um die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs zu hemmen.

Sollte der Erbe gleichwohl wissentlich und willentlich Nachlassgegenstände verschleiern, um den Pflichtteilsanspruch zu verkürzen, kommt aber noch eine Haftung auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Betracht.
Außerdem gibt es Fallkonstellationen, in denen der Erbe den Pflichtteilsberechtigten durch sein Verhalten von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten hat. Dann kann es treuwidrig sein, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen (§ 242 BGB).

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