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Der Bundesgerichtshof hat nun der maximalen Dreistigkeit eines Bevollmächtigten einen Riegel vorgeschoben.

Mit seinem Urteil vom 28.06.16 (X ZR 65/14) hob der BGH ein Urteil des OLG Düsseldorf (I-17 U 6/14; nicht veröffentlicht) auf und bestätigte im Ergebnis das Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Urt. v. 22.03.13, 18b O 17/12), das den beklagten Bevollmächtigten zur Rückzahlung an die Erben verurteilt hatte.

Leitsatz der BGH-Entscheidung X ZR 65/14:

„Der Formmangel eines Schenkungsvertrags, in dem sich der Schenker zur Übertragung seines gesamten gegenwärtigen Vermögens verpflichtet, wird nicht durch Vollzug geheilt.“

Sachverhalt:

Die Erben verlangen von einem von der Erblasserin Bevollmächtigten die Rückzahlung einer ungerechtfertigten Bereicherung.
Wenige Stunden vor dem Tode der Erblasserin hatte der Beklagte sämtliche Fondsanteile der Erblasserin verkauft und sich den Erlös von rd. 80.000 € auf sein eigenes Konto überweisen lassen.
Als die Erben von ihm diesen Betrag fordern, behauptet er, es sei der Wunsch der Erblasserin gewesen, dass er noch vor ihrem Tode sämtliche Bankwerte abhebt und für sich behält.
Dies ergäbe sich bereits aus der Vollmachturkunde, nach der er unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB auch zu eigenen Gunsten und uneingeschränkt Verfügungen über das Depotguthaben der Erblasserin vornehmen durfte.

Nach dem Ergebnis der vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme habe die Erblasserin geäußert, der Beklagte bekomme alles, er könne sich alles nehmen. Sie habe ihr gesamtes Vermögen dem Beklagten überlassen wollen.

Das Landgericht Düsseldorf gab der Klage der Erben (damals noch unbekannt und vertreten durch einen Nachlasspfleger) statt, das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Die Revision der Kläger hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Begründungen der Vorinstanzen:

Besonders interessant an diesem Fall sind die unterschiedlichen Herangehensweisen und rechtlichen Beurteilungen in den Vorinstanzen:

Nach Ansicht des Landgerichts konnten die Erben von dem Beklagten Wertersatz für das liquidierte Depot verlangen, da dieser „ohne rechtlichen Grund“, also ungerechtfertigt bereichert war (§ 812 Abs. 1 BGB). Ein lebzeitiges Schenkungsversprechen sei nicht mit Vollmacht vollzogen worden. Denn die Vollmacht, so legte das Landgericht diese aus, diente dazu, zugunsten der Vollmachtgeberin verfügen zu können, und ginge nicht so weit, dass der Bevollmächtigte ohne weiteren Rechtsgrund zu seinen Gunsten verfügen können sollte.
Dass die Erblasserin den Beklagten über die Vollmacht hinaus bevollmächtigt habe, vor ihrem Tod alles Geld aus dem Depot an sich zu nehmen, habe der Beklagte nicht bewiesen.

Das OLG Düsseldorf sah unterdessen den Veräußerungserlös als „mit Rechtsgrund“ erlangt, nämlich aufgrund des vollzogenen Schenkungsversprechens der Erblasserin. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme habe die Erblasserin geäußert, der Beklagte könne sich alles nehmen. Mit dieser Aussage sowie der Erteilung der Vollmachten habe die Erblasserin dem Beklagten die Fondsanteile geschenkt und darin eingewilligt, dass er diese zu ihren Lebzeiten veräußere und sich den Erlös gutschreiben lasse.

Dies sah der BGH – eine derartige Schenkung unterstellt – anders.

Die wesentlichen Entscheidungsgründe des BGH:

Die Kläger können als Rechtsnachfolger der Erblasserin vom Beklagten die Rückzahlung des Veräußerungserlöses gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen, da die Vermögensverschiebung zugunsten des Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgte.
Denn der Schenkungsvertrag – sein Bestehen unterstellt -, der darauf gerichtet war, dass die Erblasserin dem Beklagten ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen übertrug, bedurfte gemäß  § 311b Abs. 3 BGB  der notariellen Form.
Da es hieran fehlte, war der Schenkungsvertrag nichtig (§ 125 BGB).

Der zur Nichtigkeit führende Formmangel konnte auch nicht nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt werden.

Zur Begründung führt der BGH sehr instruktiv aus:

„Das deutsche Zivilrecht kennt keinen allgemeinen Grundsatz der Heilung eines formnichtigen Vertrages durch Erfüllung.
Die Erfüllung hat nur in denjenigen Fällen heilende Wirkung, in denen dies vom Gesetz bestimmt wird.

Soweit § 518 Abs. 2 BGB für den Vollzug einer Schenkung die Heilung eines Mangels der notariellen Form des Schenkungsvertrags anordnet, ist diese Wirkung auf den Formmangel nach § 518 Abs. 1 BGB beschränkt.

Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Schenker, der sich durch den Vollzug des Schenkungsversprechens des verschenkten Gegenstands tatsächlich begeben hat, ebenso wenig wie bei einer Handschenkung weiterhin des Schutzes der Form bedarf und der Rechtsfriede nicht durch eine Rückforderung des hingegebenen Schenkungsgegenstands belastet werden soll.
§ 311b BGB verfolgt hingegen einen weiteren Schutzzweck und enthält demgemäß auch keine § 518 Abs. 2 BGB entsprechende Bestimmung.“

Anmerkung von Rechtsanwalt Ingo Lahn, Fachanwalt für Erbrecht in Hilden:

Die formheilende Wirkung eines Schenkungsvollzugs ist aufgrund des Regelungszwecks des § 311b Abs. 3
BGB richtigerweise nicht übertragbar. Denn § 311b Abs. 3 BGB dient neben seiner Warn- und Beratungsfunktion auch

  • dem Schutz des Schenkers vor einer übereilten Übertragung des gesamten Vermögens (und nicht nur eines einzelnen Gegenstands) und damit einer für ihn besonders gefährlichen Verpflichtung sowie
  • der Verhinderung einer Umgehung der für Verfügungen von Todes wegen geltenden Vorschriften.

Die Fälle von (vermeintlichem) Vollmacht-Missbrauch nehmen – gefühlt – immer mehr zu.
In den letzten Jahren hat der BGH aber die Möglichkeiten der Erben, Vermögensverschiebungen zurückzufordern, deutlich gestärkt.

Es lohnt sich, genau hinzuschauen und von einem  Fachanwalt für Erbrecht  prüfen zu lassen, ob Rückforderungsansprüche bestehen und mit welchem Prozessrisiko sie notfalls gerichtlich durchgesetzt werden können!

Siehe auch meine Anmerkungen auf der Homepage des → Netzwerks Deutscher Erbrechtsexperten!

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