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BGH: Der Streit über einen Pflichtteilsanspruch oder die Entlassung eines Testamentsvollstreckers kann durch letztwillige Verfügung nicht der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden.

Der Bundesgerichtshof hatte sich gleich in drei Entscheidungen mit der Wirksamkeit von testamentarischen bzw. erbvertraglichen anordneten Schiedsklauseln zu befassen und entschieden (Beschlusse vom 16.03.17, I ZB 50/16 und I ZB 49/16; Beschluss vom 17.05.17, IV ZB 25/16), dass eine Streitentscheidung durch die Schiedsgerichtsbarkeit für Pflichtteil und Entlassung eines Testamentsvollstreckers nicht wirksam letztwillig angeordnet werden kann.

Hintergrund:

Nach § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Mithin kann auch ein Pflichtteilsanspruch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigtem sein.
Wesentlicher Regelungsgehalt einer Schiedsvereinbarung ist, dass die Parteien für alle oder einzelne Streitigkeiten die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließen und sich der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterwerfen.

In den entschiedenen Fällen sollte der Streit über einen Pflichtteilsanspruch jedoch nicht durch einvernehmliche Vereinbarung der Streitparteien, sondern einseitig durch Verfügung von Todes wegen der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt werden.
Nach § 1066 ZPO gelten die Vorschriften entsprechend für „Schiedsgerichte, die in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige oder andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden“.

Sachverhalte und Gründe – Schiedsgerichtsbarkeit für Pflichtteil:

Der Erblasser hatte seine Tochter zur Alleinerbin eingesetzt und seiner Ehefrau ein Vermächtnis zugewandt. Sein Sohn sollte nur Ersatzvermächtnisnehmer sein. In seinem Testament ordnete er weiterhin an:

Über alle Streitigkeiten über dieses Testament und aus diesem Testament und darüber hinaus über die Erbfolge nach mir, über evtl. Pflichtteilsrechte und -ansprüche und über alle Fragen der Behandlung meines Nachlasses soll ausschließlich ein Schiedsgericht nach den Regeln des Schlichtungs- und Schiedsgerichtshofs deutscher Notare entscheiden, dessen Statut ich als offene Schrift überreiche.

Mutter und Sohn machten ihre Pflichtteilsansprüche vor dem Schiedsgericht geltend, das die Erbin verurteilte. Das Oberlandesgericht lehnte es ab, die Schiedssprüche für vollstreckbar zu erklären (§§ 1060, 1062 ZPO) und hob diese auf. Die hiergegen eingelegten Rechtsbeschwerden (§ 1065 ZPO) wies der BGH zurück.

Leitsatzentscheidung BGH, I ZB 50/16:

„Der Streit über einen Pflichtteilsanspruch kann durch letztwillige Verfügung nicht der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterworfen werden.“

Der BGH stellt zunächst fest, dass Schiedsgerichte „in gesetzlich statthafter Weise“ durch letztwillige Verfügung nur angeordnet werden können, wenn diese Anordnung in der Verfügungsmacht des Erblassers liege. Dies sei zunächst Ausfluss der Testierfreiheit.

Da jedoch die Testierfreiheit des Erblassers durch das Pflichtteilsrecht und die grundsätzliche Unentziehbarkeit des Pflichtteils beschränkt sei, sei dem Erblasser jede Beschränkung des Pflichtteilsberechtigten bei der Verfolgung und Durchsetzung seines Pflichtteilsanspruchs verwehrt.
Folglich überschreite ein Erblasser, der dem Pflichtteilsberechtigten den Weg zu den staatlichen Gerichten versperre und ihm ein Schiedsgericht aufzwinge, die ihm durch das materielle Recht gezogenen Grenzen seiner Verfügungsfreiheit.

[Zwar stellte der BGH in den Entscheidungen I ZB 49/16 und 50/16 in der Folge fest, dass sich die Antragsgegnerin nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Schiedsfähigkeit i.S.d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 a ZPO berufen könne; gleichwohl wies es die Rechtsbeschwerde zurück, da das Schiedsgericht eine Säumnisentscheidung erlassen hatte, was gegen den innerstaatlichen verfahrensrechtlichen ordre public verstieß (§ 1060 Abs. 2 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO).]

Sachverhalte und Gründe – Schiedsgerichtsbarkeit Entlassung des Testamentsvollstreckers:

Die Erblasser hatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament drei Erben zu Schlusserben eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Das Testament enthielt folgende Schiedsklausel:

Im Wege der Auflage verpflichten wir alle Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte für Streitigkeiten, die durch dieses Testament hervorgerufen sind und die ihren Grund in dem Erbfall haben …, sich unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte dem Schiedsgericht für Erbstreitigkeiten … zu unterwerfen.

Die Schlusserben betrieben wegen Pflichtverletzung die Entlassung des Testamentsvollstreckers. Dieser rügte die Zuständigkeit des Nachlassgerichts unter Verweis auf die Schiedsklausel. Das Nachlassgericht lehnte die Entlassung ab, auf die Beschwerde wies das Oberlandesgericht das Nachlassgericht an, den Testamentsvollstrecker zu entlassen.
Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Testamentsvollstreckers blieb erfolglos.

Leitsatzentscheidung BGH, IV ZB 25/16:

„Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers können in einer letztwilligen Verfügung nicht einseitig durch den Erblasser unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht zugewiesen werden.“

Die Frage, ob durch eine Schiedsklausel auch das Verfahren über den Antrag auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2227 BGB angeordnet werden kann, ist umstritten.

Meinungsstand:

  • Nach nicht unbedeutenden Stimmen in der Literatur kann das Verfahren auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers durch letztwillige Verfügung einseitig wirksam die Schiedsgerichtsbarkeit unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit angeordnet werden.
  • Die andere Auffassung in Rechtsprechung und überwiegenden Teilen der Literatur hält dagegen die Übertragung der Aufgabe des Nachlassgerichts über die Entscheidung zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers durch einseitige letztwillige Verfügung auf ein Schiedsgericht für unzulässig.

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung der letztgenannten Auffassung angeschlossen.
Der Erblasser könne ein Schiedsgericht nur dann in „gesetzlich statthafter Weise“ errichten, wenn die eigene materielle Verfügungsbefugnis des Erblassers hierfür reicht.
Die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis des Erblassers finde ihre Grenze aber u.a. in § 2220 BGB, wonach der Erblasser den Testamentsvollstrecker nicht von den grundlegenden Verpflichtungen zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses (§ 2215 BGB), ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB), Auskunft und Rechnungslegung (§ 2218 BGB) und zur Haftung (§ 2219 BGB) befreien kann.

Allerdings ist der hier einschlägige § 2227 BGB in § 2220 BGB nicht erwähnt. Der Rechtsgedanke dieser Vorschrift, so der BGH, finde aber entsprechende Anwendung.
§ 2220 BGB sei „der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, nicht zuzulassen, dass ein Erblasser den Erben mit gebundenen Händen dem ausgedehnten Machtbereich des Testamentsvollstreckers überliefert. Ohne die Entlassungsmöglichkeit des § 2227 BGB wären die nicht abdingbaren Rechte des Erben gegen den Testamentsvollstrecker aus §§ 2215, 2216, 2218, 2219 BGB gar nicht oder nur noch in sehr eingeschränktem Umfang durchsetzbar. (…) Im Streit um die Entlassung eines Testamentsvollstreckers erfordere der nur gering ausgeprägte Schutz der Nachlassbeteiligten ein Minimum an Schutz durch die staatlichen Gerichte.“

Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn aus Hilden:

Ich halte die Entscheidungen für begrüßenswert.
Zwar eröffnen bei der Nachfolgegestaltung testamentarische oder erbvertragliche Schiedsklauseln einen einfacheren und kostengünstigeren Weg, langwierige Erbstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten zu verhindern. Auch fungieren regelmäßig fachkundige Erbrechtsexperten als Schiedsrichter.
Demgegenüber bietet die Schiedsgerichtsbarkeit allerdings keine Rechtsmittel, keine Beteiligung Dritter, keine Amtsermittlung und für Bedürftige keine Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. Somit gewährleistet die Schiedsgerichtsbarkeit im Einzelfall keinen effektiven Rechtsschutz.

Die Rechtsprechung hat jetzt zum Schutze der Betroffenen die Grenzen der Schiedsfähigkeit dort gezogen, wo die Grenze der Testierfreiheit des Erblassers verläuft.
Immer dann, wenn das Gesetz die Testierfreiheit beschränkt, ist der Weg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.

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