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OLG München: Die Verjährungsfrist für den Anspruch aus einem Grundstücksvermächtnis beträgt 10 Jahre.

Das Oberlandesgericht München hat sich mit Urteil vom 26.07.17, 7 U 302/17, als erstes Obergericht u.a. mit der Streitfrage befasst, ob Vermächtnisse über Rechte an Grundstücken der kurzen dreijährigen oder der längeren zehnjährigen Verjährung unterliegen.

Leitsätze OLG München, 7 U 302/17:

1. Die Ausschlagungsfiktion des § 2307 Abs. 2 S. 2 BGB kann im Falle eines Vorausvermächtnisses nicht eintreten, wenn der mit dem Vorausvermächtnis bedachte Miterbe die Erbschaft bereits angenommen hat.
2. Die Verjährungsfrist für den Anspruch aus einem Grundstücksvermächtnis beträgt nach geltendem Recht 10 Jahre.

Rechtlicher Hintergrund:

Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 01.01.2002 das Verjährungsrecht reformiert und die allgemeine Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt. Für die Verjährung von erbrechtlichen Ansprüchen verblieb es allerdings bei der 30-jährigen Frist (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F.).
Mit dem SMG wurde u,a, auch ein neuer § 196 BGB geschaffen; dieser lautet:

Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung verjähren in zehn Jahren.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts hat der Gesetzgeber dann mit Wirkung ab dem 01.01.2010 auch die erbrechtlichen Ansprüche (Ausnahmen s. in § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB) in das System der Regelverjährung integriert – besser: er wollte es. Denn er meinte, Wertungswidersprüche und Rechtsunsicherheit ausgemacht zu haben.
Ein entstehender Wertungswiderspruch zwischen z.B. einem Geldvermächtnis (Regelverjährung drei Jahre) und einem Vermächtnis, das Rechte an Grundstücken i.S.d. § 196 BGB betrifft (10-jährigen Verjährung), wurde schlichtweg übersehen; in der Gesetzesbegründung findet sich hierzu kein Wort!
Daher ist in der Literatur seitdem umstritten (s. hierzu insb. den Aufsatz von Damrau, ZErb 2015, 333), ob entsprechend dem gesetzgeberischen Motiv für alle Vermächtnisse einheitlich die dreijährige Regelverjährung gilt, oder ob für Vermächtnisansprüche, die Rechte an Grundstücken betreffen, die 10-jährige Verjährungsfrist des § 196 BGB anzuwenden ist.

Entscheidungsgründe des OLG München, 7 U 302/17:

Zu der Verjährung eines Grundstücksvermächtnisses entschied das OLG München zugunsten der langen Verjährung des § 196 BGB und führte hierzu aus:

a) … Nach damals geltendem Verjährungsrecht (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F.) wäre [das Grundstücksvermächtnis] als erbrechtlicher Anspruch in dreißig Jahren ab dem Erbfall, also im Jahr 2036 verjährt.

b) Die Vorschrift wurde jedoch durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.2009 (BGBl I 3142) aufgehoben. Die Auswirkungen auf die bereits laufende Verjährungsfrist im gegenständlichen Fall regelt Art. 229 § 23 EGBGB. Hiernach tritt Verjährung mit Ablauf des 31.12.2019 ein.

aa) Art. 229 § 23 Abs. 1 S. 1 EGBGB verweist für am 1.1.2010 noch offenen Verjährungen auf die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der am 1.1.2010 geltenden Fassung. Nach dem Wortlaut der Übergangsvorschrift, der nicht nur auf die §§ 195, 199 BGB, sondern auf alle geltenden Verjährungsvorschriften verweist, beträgt die Verjährungsfrist für den gegenständlichen Vermächtnisanspruch, der auf Übereignung eines Grundstücks gerichtet ist, also 10 Jahre (§ 196 BGB).

Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich den vorgelegten Gesetzesmaterialien (BTDrucks. 16/8954; BTDrucks. 16/13543) ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen. Dort ist zwar wiederholt die Rede davon, dass erbrechtliche Ansprüche der Regelverjährung unterliegen sollten. Mit Grundstücksvermächtnissen befassen sich die Materialien aber nicht. Es kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers – entgegen dem von ihm gewählten Wortlaut der Übergangsvorschrift – auch für Grundstücksvermächtnisse eine Verjährungsfrist von 3 Jahren gelten sollte.

Entgegen Damrau, ZErbR 2015, 333 sieht der Senat auch keine Anhaltspunkte für eine anderweitige systematische Auslegung. Zwar mag es sein, dass unter Geltung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB diese erbrechtliche Verjährungsregelung als vorrangig gegenüber § 196 BGB zu verstehen war. Dieses Verhältnis von zwei Spezialvorschriften zueinander gibt aber kein Argument dafür, dass nurmehr – entgegen dem Wortlaut der Übergangsvorschriften und dem allgemeinen Spezialitätsgrundsatz – die allgemeine Vorschrift des § 195 BGB der Spezialvorschrift des § 196 BGB vorgehen sollte.

bb) Die somit einschlägige zehnjährige Verjährungsfrist ist nach Art. 229 § 23 Abs. 2 EGBGB ab dem 1.1.2010 zu rechnen. Verjährung des streitgegenständlichen [Grundstückvermächtnisanspruchs] tritt daher (frühestens) mit Ablauf des 31.12.2019 ein.

Hinweis von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Da das Berufungsurteil des OLG München im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens erging, bei dem der weitere Rechtsweg zum Bundesgerichtshof ausgeschlossen ist (§ 542 Abs. 2 ZPO), wird eine höchstrichterliche Klärung der Streitfrage, welcher Verjährung Grundstücksvermächtnisse unterliegen, noch auf sich warten lassen.
Aus erbrechtlicher Sicht ist diese Streitfrage nicht nur für Vermächtnisse auf Übereignung von Grundstücken relevant, sondern auch für die in der Praxis häufig vorkommenden Wohnungsrechts- und Nießbrauchsvermächtnisse.

Da die Verjährungs-Prüfung infolge verschiedener Gesetzesänderungen mit recht komplizierten Überleitungsvorschriften äußerst fehleranfällig ist, sollten Sie die Erbrechtslage unbedingt von einem Fachanwalt für Erbrecht überprüfen lassen!

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