02103 254457 | kanzlei [at] erbrecht-lahn.de

BGH zum Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Finanzierungsleistungen für ein Hausgrundstück als unbenannte Zuwendung unter Ehegatten –

Mit Urteil vom 14.03.18 hat der Bundesgerichtshof (IV ZR 170/16) dazu Stellung genommen, inwieweit das alleinige Tragen von Finanzierungskosten durch einen Ehegatten eine sog. „unbenannte Zuwendung“ sein und damit zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen kann.
Dabei ist zu differenzieren zwischen den Tilgungs- und den Zinsleistungen.

Sachverhalt (stark verkürzt):

Der Erblasser und seine zweite Ehefrau hatten gemeinsam ein Bankdarlehen aufgenommen, um auf einem ihm von seinen Eltern übertragenen Grundstück ein Einfamilienhaus zu bauen. Als Kreditsicherheit wurde an dem Grundstück eine Grundschuld bestellt.
Nach Einzug in das Haus übertrug der Erblasser im Jahre 1997 seiner Ehefrau einen 1/2-Miteigentumsanteil an der Immobilie als – im Vertrag so genannte – „ehebedingte Zuwendung“.
Durch gemeinschaftliches Testament setzten sich die Eheleute 2008 zu Alleinerben ein.
Als der Erblasser 2009 verstarb, hatte er das Darlehen aus seinem Vermögen i.H.v. rd. 20.000 € getilgt und insgesamt rd. 113.000 € Zinsen gezahlt.

Die beiden Söhne des Erblassers aus erster Ehe verlangen von der Witwe u.a. Pflichtteilsergänzung, da sie sowohl die Übertragung des hälftigen Immobilienanteils als auch die hälftigen Finanzierungsleistungen als Schenkung ansehen.
Dabei gingen die Parteien auf Grundlage eines Gutachtens übereinstimmend von einem Wert der Immobilie zum Zeitpunkt des Erbfalls von rd. 92 T€ aus (Sachwert 200 T€ ./. Restdarlehen 108 T€; für den Zeitpunkt der Übertragung im Jahre 1997 war ein Wert der Immobilie von rd. 110 T€ [Sachwert 237 T€ ./. Baudarlehen 127 T€] unstreitig geblieben).

Rechtlicher Hintergrund:

Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch setzt nach dem Wortlaut des § 2325 Abs. 1 BGB voraus, dass „der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht“ hat.
Eine Schenkung (i.S.d. § 516 BGB) wiederum setzt

  • objektiv eine Bereicherung des Empfängers durch eine unentgeltliche Zuwendung aus dem Vermögen eines anderen und
  • subjektiv eine Einigung von Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit

voraus.
An diesem subjektiven Element fehlt es jedoch zumeist bei Zuwendungen unter Eheleuten, da diese regelmäßig um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung oder Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht werden. Für derartige Rechtsgeschäfte „eigener Art“ unter Eheleuten hat sich seit den 70er Jahren die Rechtsfigur der „unbenannten (oder ehebedingten bzw. ehebezogenen) Zuwendung“ herausgebildet.

Mit Grundsatzurteil vom 27.11.2001 hat der Bundesgerichtshof entschieden (IV ZR 164/90, BGHZ 116, 167), dass unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten im Erbrecht grundsätzlich wie Schenkungen zu behandeln sind.

Nur ausnahmsweise liegt mangels Unentgeltlichkeit eine unbenannte Zuwendung nicht vor, wenn

  • die Zuwendung sich im konkreten Einzelfall als (auch nachträgliche) Vergütung für langjährige Dienste darstellt,
  • sie unterhaltsrechtlich geschuldet ist,
  • sie einer nach den konkreten Lebensverhältnissen angemessenen Altersversorgung dient, auch wenn sie unterhaltsrechtlich nicht geschuldet ist, oder
  • im Einzelfall eine adäquate Gegenleistung festgestellt werden kann.

Liegt schließlich eine Schenkung vor, gilt für die Bewertung von nicht verbrauchbaren Sachen wie Immobilien das sog. Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 S. 2 BGB): In Ansatz zu bringen ist der niedrigere der Werte zum Zeitpunkt des Erbfalls und zum Zeitpunkt des Vollzugs der Schenkung.
­

Essenz der Entscheidung des BGH, IV ZR 170/16:

1. Eine unbenannte Zuwendung unter Ehegatten ist für die Berechnung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs in der Regel wie eine Schenkung zu behandeln. Etwas anderes gilt, wenn die Zuwendung von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers rechtlich abhängig ist.
Für die Entgeltlichkeit der Zuwendung trifft den Erben die sekundäre Darlegungslast.

2. Wird vom Erbfallwert einer Immobilie die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch valutierende Grundschuld abgezogen, dann sind die bis dahin geleisteten Tilgungsleistungen bereits in den fiktiven Nachlasswert eingeflossen und können dem Nachlass nicht ein weiteres Mal hinzugerechnet werden.
Denn durch die Tilgungsleistung wird die Belastung verringert und der Grundstückswert in gleichem Umfang erhöht.

3. Zinsleistungen eines Ehegatten können unbenannte Zuwendung sein, wenn die Eheleute für das Darlehen – und damit auch für die Zinsen – gesamtschuldnerisch haften.
Maßgeblich für die Frage einer Bereicherung ist dann, ob die Eheleute für die erbrachten Zahlungen „etwas anderes“ als den regelmäßigen Ausgleich unter Gesamtschuldnern nach § 426 Abs. 1 BGB „bestimmt“ haben.
Zwar wird der gesetzliche Gesamtschuldnerausgleich durch die Ehe nicht verdrängt, jedoch kann während intakter Ehe die grundsätzlich hälftige Beteiligung der Gesamtschuldner an den Belastungen von der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Weise überlagert werden, dass sich im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten eine andere Aufteilung ergibt.

Wegen der Zinsleistungen des Erblassers verwies der BGH die Sache zurück an das OLG Dresden.

Hinweise von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Es wäre sicherlich falsch, aus der besprochenen Entscheidung des BGH den Obersatz herzuleiten, dass Tilgungsleistungen, die auf eine zur Zeit des Erbfalls noch valutierende Grundschuld erbracht worden sind, nicht erneut in den Nachlasswert einfließen und damit keine zusätzliche, eigenständige Schenkung darstellen können.

Denn ein solcher Satz ist nur zutreffend in dem atypischen Sonderfall, wie er hier zur Entscheidung stand, dass (entgegen der Wertentwicklung auf dem Immobilienmarkt, der allgemeinen Preissteigerung und der durch die Tilgung der Belastungen spiegelbildlich einhergehenden Wertsteigerung) der für die Pflichtteilsergänzung anzusetzende Wert des verschenkten Immobilienanteils zur Zeit des Erbfalls niedriger ist als zum Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs, der maßgebliche Wert also der niedrigere Erbfallwert ist.

Für die weitaus meisten Fällen aber, in denen der niedrigere Schenkungswert maßgeblich ist, wird sich die Frage nach der Ergänzungspflicht alleiniger Tilgungsleistungen neben der Immobilienschenkung weiterhin stellen.

Dann wird man wohl u.a. zu differenzieren haben:

  1. Wird ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück oder ein Anteil hieran geschenkt, ohne dass der Beschenkte auch die Verpflichtung zur Tilgung der besicherten Forderung (mit-) übernimmt, dürfte als Schenkungswert der volle Sachwert ohne Abzug der besicherten Verbindlichkeit anzusetzen sein. Denn das Grundpfandrecht sollte nach den Grundsätzen des § 2313 BGB als ungewisse Verbindlichkeit anzusehen sein.
    Auf die späteren Tilgungen des allein verpflichteten Ehegatten käme es dann nicht mehr an.
  2. Übernimmt der Beschenkte dagegen neben der dinglichen Belastung zusätzlich auch die Verpflichtung zur Tilgung (mit), dürfte eine „gemischte Schenkung“ vorliegen, soweit die Schuld(mit)übernahme den entgeltlichen Teil der Schenkung darstellt.
    Wenn dann in der Folge der zuwendende Ehegatte die Tilgung allein übernimmt, kommt sehr wohl eine weitere Schenkung in Form der Bereicherung durch die Befreiung von einer Verbindlichkeit des beschenkten Ehegatten in Betracht (jedenfalls sofern nicht unterhaltsrechtlich geschuldet).
    Hier müssten die gleichen Erwägungen zutreffen, wie sie der BGH in der besprochenen Entscheidung zu den Zinsleistungen angestellt hat.

Eine endgültige Klärung dieser Fragen wird zukünftigen Entscheidungen vorbehalten bleiben…

4.8/5 - (5 votes)