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Das Finanzgericht Münster (3 K 1237/17 Erb) hat mit einem steuerschuldnerfreundlichen Urteil vom 14.02.19 eine Lücke im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz geschlossen und entschieden, dass Abfindungszahlungen, die ein [vom Vorerben] Beschenkter zur Abwendung eines Herausgabeanspruches wegen beeinträchtigender Schenkung (§ 2287 BGB) leistet, von der schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden können.
Die Finanzbehörde hat die zugelassene Revision eingelegt. Sie führt beim BFH das Aktenzeichen II R 24/19.

Sachverhalt (stark verkürzt):

In ihrem gemeinschaftlichen Testament hatten die Eltern sich gegenseitig zu Erben eingesetzt und ihre drei Söhne zu Erben des Letztversterbenden.
Nachdem der Vater verstorben war, schenkte die Mutter im Jahre 2003 Immobilien an zwei ihrer Söhne, die hierfür Schenkungsteuer zahlen mussten.
Als die Mutter 2011 verstarb, nahm der nicht durch Schenkungen bedachte Sohn seine Brüder auf anteilige Übertragung der Immobilien in Anspruch.
Das OLG war in der Berufungsinstanz der Auffassung, dass – je nach Auslegung des Testaments – Ansprüche aus §§ 2113 Abs. 2, 816 Abs. 1 S. 2 BGB und/oder § 2287 BGB in Betracht kämen.
Der jetzige Kläger und sein nicht bedachter Bruder schlossen daraufhin im Mai 2015 einen Vergleich, nach dem der Kläger wegen der beeinträchtigenden Immobilienschenkung zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche eine Abfindungszahlung leistete.

Nachdem er die Abfindung gezahlt hatte, beantragte der Kläger beim Finanzamt die Abänderung der Schenkungsteuerfestsetzung, weil er die Abfindung erwerbsmindernd berücksichtigt wissen wollte. Davon wollte das Finanzamt indes nichts wissen; auch der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Seine gegen die Entscheidung gerichtete Klage hatte dagegen Erfolg.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster, 3 K 1237/17 Erb:

Das FG Münster teilt zunächst die Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Schenkungsteuer nicht rückwirkend erloschen sei, da das Geschenk nicht tatsächlich herausgegeben wurde (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) und eine analoge Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (Abwendungszahlungen wegen Verarmung des Schenkers nach § 528 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht in Betracht komme.
Allerdings ergäbe sich eine steuermindernde Berücksichtigung der verglichenen Abfindungszahlung aus § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, der nach § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen unter Lebenden gilt.

Auch wenn nach dem Wortlaut der Vorschrift nur Kosten abzugsfähig seien, die unmittelbar im Zusammenhang mit der „Erlangung“ des Erwerbs entstehen, sei die Vorschrift auch anwendbar für Abfindungszahlung, die zur „Erhaltung“ des Erwerbs geleistet worden.
Unabhängig von der Frage, ob die Vorschrift abschließend sei, ergäbe sich dies aus einer

Parallelwertung zu BFH, Urt. v. 08.10.03, II R 46/01

(BFHE 204, 299; NJW 2004, 1198; ZEV 2004, 124).
Hier hatte der Bundesfinanzhof geurteilt, dass Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung des Herausgabeanspruchs eines Pflichtteilsergänzungsberechtigten gemäß § 2329 Abs. 2 BGB bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen seien.

Dabei hat der 3. Senat des FG Münster sehr wohl gesehen, dass in besagter Entscheidung sich diese Rechtsfolge aus § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG ergeben hatte, und führt weiter aus:

„Nach Auffassung des Senats sind die Ansprüche wegen beeinträchtigender Schenkung gemäß § 2287 Abs. 1 BGB und gemäß §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 BGB bei Verfügungen des Vorerben mit denen wegen beeinträchtigender Schenkung im Pflichtteilsrecht vergleichbar. Denn in allen Fällen wird über Vermögensgegenstände zu Lasten eines berechtigten Dritten verfügt, der deswegen gegenüber dem Verfügungsempfänger Herausgabeansprüche geltend machen kann.
Das rechtfertigt es aus Sicht des Senats, die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesfinanzhofs aus dem Urteil vom 08.10.2003 II R 46/01 auch auf diese Herausgabeansprüche und Zahlungen zu deren Abwendung anzuwenden. Dabei kann es keinen Unterschied machen, dass im Fall des Pflichtteilsrechts das Recht des Herausgabeverpflichteten zu Abwendungszahlungen in § 2329 Abs. 2 BGB ausdrücklich vorgesehen ist. Denn auch wenn in den Fällen der §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 2113 Abs. 2 und 2287 Abs. 1 BGB etwaige Abwendungszahlungen unter den Beteiligten im Vergleichswege ausgehandelt werden, haben sie ihren Ursprung in den entsprechenden im BGB geregelten Herausgabeansprüchen.
Das reicht für eine Berücksichtigung im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 2 oder Nr. 3 ErbStG aus.“

Fazit von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Unentgeltliche Zuwendungen sind nach dem Zivilrecht weniger bestandsfest als entgeltliche Erwerbe. Daher sehen sich Erwerber oftmals Herausgabeansprüchen gegenüber, insbesondere den Herausgabeansprüchen

  • bei Verarmung des Schenkers (§ 528 Abs. 1 S. 1 BGB),
  • nach der Verfügung eines Nichtberechtigten (§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB),
  • der Vertrags- oder Schlusserben nach beeinträchtigenden Schenkungen des Erblassers (§ 2287 BGB) oder
  • wegen der subsidiären Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber dem Beschenkten (§ 2329 BGB).

In all diesen Fällen entfiele der staatliche Steueranspruch rückwirkend, sobald der geschenkte Gegenstand tatsächlich herausgegeben wurde (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

Aber was gilt, wenn der Beschenkte den geschenkten Gegenstand nicht herausgibt, sondern stattdessen von einer gesetzlich eingeräumten Abwendungsbefugnis (§§ 528 Abs. 1 S. 2, 2329 Abs. 2 BGB) Gebrauch macht, oder, wo eine solche nicht vorgesehen ist, er sich mit seinem Gläubiger auf eine Abfindungszahlung einigt?

  • Bei einer Abwendungszahlung bei Verarmung des Schenkers entfällt die Steuerpflicht kraft ausdrücklicher Anordnung in § 29 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.
  • Bei einer Abwendungszahlung an den Pflichtteilsergänzungsberechtigten bejaht der BFH (s.o.) eine erwerbsmindernde Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.
  • Für vereinbarte Abfindungszahlungen zur Abwendung der Herausgabe nach den §§ 816, 2287 BGB hat das FG Münster jetzt die verbliebene Lücke geschlossen.
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