OLG Düsseldorf: Ein quotenloser Erbschein kann auch erteilt werden, wenn nur der Antragsteller auf die Aufnahme der Erbquoten verzichtet.
Entgegen einer Entscheidung des OLG München (Beschl. v. 10.7.2019, 31 Wx 242/19), das für die Erteilung eines „quotenlosen Erbscheins“ (also eines Erbscheins, der die Erbquoten nicht ausweist) den Verzicht aller Miterben auf die Aufnahme der Erbquoten für erforderlich hielt, hat nunmehr das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 17.12.19, 25 Wx 55/19) entschieden, dass bereits der Verzicht nur des Antragstellers ausreichen soll, selbst wenn die übrigen Miterben der Erteilung des quotenlosen Erbscheins widersprächen.
Wegen der Divergenz zur Entscheidung des OLG München hat das OLG Düsseldorf die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen. Diese wurde jedoch, soweit ersichtlich, nicht eingelegt.
Hintergrund zum „quotenlosen Erbschein“:
Grundsätzlich hat ein Erbschein, wenn mehrere Personen zur Erbfolge berufen sind, die Größe der jeweiligen Erbteile, also die Erbquoten, anzugeben (§ 2353 BGB). Dementsprechend sind schon im Erbscheinsantrag Angaben zu den Erbquoten zu machen (§ 352 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 Nr. 3 FamFG) und die Richtigkeit dieser Angaben an Eides Statt zu versichern (Abs. 3). Dies gilt auch für gemeinschaftliche Erbscheine (§ 352a Abs. 2 S. 1 FamFG n.F., § 2357 Abs. 2 BGB a.F.).
Seit der Reform zum 17.08.2015 ist nach § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG n.F. die Angabe der Erbquoten in einem gemeinschaftlichen Erbschein jedoch dann nicht mehr erforderlich, „wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten.“
Seitdem ist in Rechtsprechung und Literatur streitig, ob für die Erteilung des quotenlosen Erbscheins alle potentiellen Miterben einen (ausdrücklichen) Verzicht auf die quotenmäßige Feststellung der Erbteile erklären müssen oder ob es genügt, dass lediglich der antragstellende Miterbe diesen Verzicht erklärt. Das OLG Düsseldorf schloss sich jetzt der letztgenannten Meinung an.
Sachverhalt (stark verkürzt):
Der Erblasser hatte in seinem Testament drei Personen nicht ausdrücklich zu Erben eingesetzt (und dementsprechend auch keine Erbquoten festgelegt), sondern lediglich seine wesentlichen Nachlassgegenstände (mehrere Immobilien) auf diese drei Personen verteilt.
Da die Nachlassgegenstände in ihrem Wert unterschiedlich waren, waren die Erbquoten unter den Beteiligten streitig.
Nachdem sein erster Erbscheinsantrag zurückgewiesen worden war, beantragte der Beteiligte zu 1. die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Erbe zu 1/2 und die übrigen Miterben zu je 1/4 ausweisen möge. Hilfsweise beantragte er die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins.
Das Nachlassgericht hat die Tatsachen, die zur Begründung des Hilfsantrags des Beteiligten zu 1. erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3., die von Erbquoten zu gleichen Teilen ausgingen und einwendeten, dass ein Verzicht aller Miterben für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins erforderlich sei, blieb vor dem OLG Düsseldorf ohne Erfolg.
Die wesentlichen Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf, 25 Wx 55/19:
Die Ermittlung der Werte der (jeweils zugedachten) Grundstücke zum Zeitpunkt der Testamentserstellung [und damit das Verhältnis der Erbteile] sei komplex, werde nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich sein und geraume Zeit in Anspruch nehmen, so dass die Angabe der Erbteile gegenwärtig nicht möglich sei. Für diesen Fall sehe § 352a FamFG die Möglichkeit eines Erbscheins ohne Quoten vor.
Nach § 352a Abs. 1 S. 2 FamFG könne auch ein einzelner Miterbe einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins stellen [„von jedem der Erben“] und nach § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG [„alle Antragsteller“] auf die Angabe der Erbteile im Erbschein verzichten.
Der Senat stützt seine Auffassung dabei im Wesentlichen auf den Wortlaut der Vorschrift und die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 18/4201, S. 60 f.), in der es – Exkurs – zum neuen § 352a FamFG heißt:
„§ 352a FamFG enthält die bislang in § 2357 BGB vorgesehene Regelung zum gemeinschaftlichen Erbschein.
Anders als nach bisheriger Rechtslage soll dabei künftig im Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins die Angabe der Erbteile der Miterben nicht mehr erforderlich sein, wenn alle Antragsteller im Antrag auf die Angabe der Erbteile im Erbschein verzichten.
Hintergrund sind aus der Praxis bekannt gewordene Fälle, in denen die Miterben unproblematisch feststehen, die Größe der Erbteile aber erst noch aufwändig geklärt werden muss. Ein klassischer Anwendungsfall, der auch dem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. November 1977 – 3 W 178/77 (DNotZ 1978, 683) zugrunde lag, ist, dass der Erblasser sein Vermögen nicht nach Bruchteilen, sondern nach Gegenständen verteilt hat, deren Wertverhältnis schwer zu ermitteln ist. Dies kann zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Erteilung des Erbscheins führen, der aber mitunter rasch benötigt wird.
Um in entsprechenden Konstellationen zeitliche Verzögerungen bei der Erteilung des gemeinschaftlichen Erbscheins zu vermeiden, behilft sich die Rechtsprechung derzeit unter anderem mit der Erteilung eines vorläufigen gemeinschaftlichen Erbscheins. Teilweise wurde in der Praxis auch zugelassen, im Erbscheinsantrag von einer zahlenmäßig bestimmten Angabe der Quoten abzusehen und nur die für die Berechnung derselben für richtig gehaltenen Berechnungsgrundlagen mitzuteilen (so OLG Düsseldorf DNotZ 1978, 683).
Künftig soll in Fällen, in denen der Kreis der Erben feststeht und die Antragsteller auf eine Angabe der Erbteile im gemeinschaftlichen Erbschein verzichten, ein Antrag auch ohne entsprechende Angabe zulässig sein und der gemeinschaftliche Erbschein ohne entsprechende Angaben erteilt werden. Praktische Bedeutung wird die Regelung ausschließlich dann haben, wenn die Ermittlung der Erbquoten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.
Diese Regelung will die in der Praxis bekannt gewordenen Fälle, in denen die Ermittlung der Erbquoten tatsächlich schwer und nur mit großem Aufwand durchführbar ist, lösen und die dazu ergangene Rechtsprechung abbilden, ohne generell auf die Angabe der Erbquoten zu verzichten. (…) Beim Teilerbschein bleibt die Angabe des Erbteils demgegenüber verpflichtend; gleiches gilt für den gemeinschaftlichen Teilerbschein.“ – Exkurs Ende –
Aus dieser Gesetzesbegründung zieht der Senat den Schluss, dass die neue Regelung des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG bewusst allein auf „alle Antragsteller“ und nicht auch auf sämtliche Miterben abstelle. Würde man mit der anderen Auffassung dennoch auf einen Verzicht aller Miterben abstellen wollen, würde dies auf eine Verzögerung der Verfahren hinauslaufen, obwohl deren Beschleunigung die Neuregelung des § 352a FamFG (zumindest auch) bezwecken wollte.
Abschließend meint der Senat allerdings noch: „Die übrigen Miterben sind jedoch dadurch ausreichend gesichert, dass sie selbst einen (gegenläufigen) Erbscheinsantrag stellen und damit das Vorliegen der Voraussetzung des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG verhindern können. Denn in diesem Fall läge nicht mehr der Verzicht „aller Antragsteller“ vor.
Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:
Auch wenn ich die Entscheidung des OLG Düsseldorf der Sache und der Begründung nach begrüße, so ist der Beschluss in dem konkret vorgelegten Fall doch leider nicht richtig!
Denn der Antragsteller hatte seinen Antrag auf Erteilung eines quotenlosen Erbscheins lediglich als Hilfsantrag gestellt. Das Nachlassgericht hätte somit, bevor es überhaupt über den Hilfsantrag entscheiden kann, zunächst über den Hauptantrag, also den Quoten-Antrag, befinden und diesen zurückweisen müssen. Allein aus diesem Grund hätte der Beschwerde der Erfolg nicht versagt bleiben dürfen. Nach entsprechendem Hinweis und einem Zurückverweisungsantrag eines Beteiligten wäre das Verfahren sinnvollerweise zurückzuverweisen gewesen.
M.E. hat das OLG Düsseldorf allerdings in der Sache recht. Im Gesetz ist eindeutig von „alle Antragsteller“ die Rede und eben nicht von „alle Miterben“.
Zimmermann (ZEV 2020, 167, 170 f.) hält dem zwar entgegen, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass alle Miterben den quotenlosen Erbscheinsantrag stellen würden; dass nur ein Miterbe den Antrag stelle, sei nicht erörtert worden.
Außerdem müsse der Antrag eines einzelnen Miterben die Angabe enthalten, dass die übrigen Miterben die Erbschaft angenommen haben (§ 352a Abs. 3 S.1 FamFG); die sich auf die übrigen Erben beziehenden Angaben des Antragstellers seien nachzuweisen (§ 352a Abs. 3 S. 2 FamFG). Dazu gehöre auch der Verzicht auf die Angabe der Erbquoten.
Beides vermag ich nicht zu erkennen, weder aus der Gesetzesbegründung (extra oben zitiert) noch aus dem Gesetzeswortlaut. Im Gegenteil: So erlaubt § 352a Abs. 1 S. 2 FamFG nicht nur ausdrücklich die Antragstellung von „jedem der Erben“, sondern zeigt auch Abs. 3 S. 1 eindeutig, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass ein „Antrag nicht von allen Erben gestellt“ zu werden braucht. In diesem Fall verlangt Abs. 3 S. 1 dann aber lediglich die Angabe, dass die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben, nicht auch, dass diese ebenfalls auf die Angabe der Quoten verzichtet hätten oder verzichten würden.
Schließlich kritisiert Zimmermann noch, dass sich nicht erschließe, weshalb die übrigen Miterben gezwungen sein sollten, Erbenfeststellungsklage erheben oder selbst einen gegenläufigen Erbscheinsantrag stellen zu müssen, um den offensichtlich fehlenden Verzicht „aller Antragsteller“ zu dokumentieren.
Diese Kritik ist nicht von der Hand zu weisen, liegt aber m.E. weniger in der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf begründet, denn vielmehr in gesetzgeberischen Unzulänglichkeiten. Denn ohne einen gegenläufigen Antrag sind die übrigen Miterben eben nicht „Antragsteller“…
Offen ist im Übrigen noch, wie zu verfahren ist, wenn später – etwa nach Sachverständigengutachten – die Erbquoten feststehen. Ist dann der Antrag der Erben oder auch nur eines Erben auf Ergänzung des quotenlosen Erbscheins zuzulassen? Eine Einziehung des bisherigen Erbscheins kommt ja nicht in Frage, da dieser nicht falsch ist. Aus diesem Grunde kommt auch eine Neubeantragung mit Quoten nicht in Betracht.
Hielte man eine Ergänzung für unzulässig, wären die Erben sogar auf eine Erbenfeststellungsklage angewiesen…